Tag der Befreiung in Stuttgart – Rede von Jasmin Meergans, AK Asyl
13. Mai 2015
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,
„Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen.“, das waren die Worte Richard von Weizäckers am 8. Mai 1985, als er damals zum ersten Mal den 8. Mai 1945 als „ Tag der Befreiung“ bezeichnete. Und das war er wirklich: Ein Tag der Befreiung von einem menschenverachtenden System, von der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten.
Vor 11 oder 12 Jahren, damals war ich 8 oder 9 Jahre alt, habe ich einmal meinen Großvater gefragt: „Warum muss man denn jedes Jahr wieder an die Taten des Nazi-Regimes erinnern? Das ist doch mittlerweile lange genug her, das kann man jetzt auch langsam mal vergessen.“ Mein Großvater antwortete mir ganz ruhig, aber sehr bestimmt: „Wir dürfen es niemals vergessen! Das sind wir den unzähligen Opfern schuldig. Wir müssen die Erinnerung daran immer aufrechterhalten, damit so etwas nie wieder passieren kann.“ Und genau das ist unser Auftrag, dafür zu sorgen, dass dieser Teil unserer Geschichte niemals vergessen wird.
Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden leider über kurz oder lang nicht mehr unter uns sein und dann sind wir mit all unserer Kraft gefragt, den Opfern ein Gesicht zu geben, den jüngeren Generationen die Geschichte näher zu bringen und sie zu einem demokratischen und menschlichen Miteinander zu erziehen. Dabei können uns beispielsweise Gedenkstätten helfen. Deshalb brauchen wir insbesondere das Hotel Silber in Stuttgart als Gedenk- und Forschungsort, aber vor allem auch als Lernort!
„Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“, schaut man sich die heutige Welt an, herrscht vielerorts Krieg. Und daran sind wir nicht unschuldig. Wir brauchen endlich eine echte Friedenspolitik. Denn: Wir sind für Krieg verantwortlich, ganz egal, ob dieser mit deutschen Soldaten oder mit Waffen aus Deutschland geführt wird!
Unser Auftrag ist auch, sämtlicher Art von Menschenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten. Antisemitismus existiert in unserer heutigen Gesellschaft immer noch. Und wenn „ Jude“ ganz selbst verständlich auf den Schulhöfen als Schimpfwort verwendet wird, müssen wir uns überlegen, wie wir diese jungen Menschen sensibilisieren können, wie wir sie bilden können!
Der Antiziganismus ist besonders weit verbreitet und nimmt tendenziell sogar zu. Mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wollen Sinti und
Roma nicht als Nachbarn haben und fast alle von ihnen schreiben der Volkszugehörigkeit allein eine genetische Veranlagung zur Kriminalität zu. Das hört klingt etwas nach einer Wiederholung der Geschichte. Das geht so nicht! Wir müssen alles dafür tun, um dem entgegenzuwirken.
Am präsentesten ist im Moment aber wohl die Islamfeindlichkeit. Bewegungen wie PEGIDA und Co. nutzen soziale Ungerechtigkeiten und individuelle Ängste dafür aus, um ihre menschenverachtenden Ideologien zu propagieren. Diesen Tendenzen müssen wir entgegentreten, auch am 17. Mai, auch in Stuttgart. Damit alle Menschen sehen können, dass unsere Gesellschaft bunt und vielfältig ist. Und das ist auch gut so!
Vielen Dank.