Wir trauern um Dietrich Schulze
31. Dezember 2019
Nachruf auf Dietrich Schulze von Helmut Woda
Wir nehmen Abschied von unserem Kameraden Dietrich Schulze. Dietrich war ein Urgestein der neuen Generation der Antifaschistinnen und Antifaschisten, die durch die Öffnung der VVN zum Bund der Antifaschisten gestoßen war.
Am 19. Dezember ist der Karlsruher Gewerkschafter, Friedensaktivist und Antifaschist Dietrich Schulze in seiner Wahlheimat Karlsruhe gestorben. Er wurde am 27. Juni 1940 in Borkum geboren. Seine Jugend verbrachte er im sächsischen Wilthen. 1958 machte er in Bautzen das Abitur. Zum Studium ist er danach in den Westen gegangen. Weil das Abitur der DDR nicht anerkannt wurde, musste er 1959 in Essen die Prüfung noch einmal machen. Er studierte in Hannover und Karlsruhe Elektrotechnik. Ab 1966 arbeitete er im Kernforschungszentrum Karlsruhe und wurde bald Betriebsrat.
In Karlsruhe, wohin es ihn beruflich verschlagen hatte, lernte er 1971 den Stuttgarter Antifaschisten, Kommunisten und Widerstandskämpfer Karl Wagner kennen. Er wurde für Dietrich Lehrer, politischer Weggefährte und Leitbild. Nicht nur dessen Verfolgungsgeschichte während der Nazi Zeit faszinierte ihn. Karl Wagner 1936 nach Dachau, wo er Mitglied der illegalen internationalen Lagerleitung wurde. Von Dachau nach Buchenwald überstellt erlebte er dort die Befreiung. Karl hatte als Kappo im KZ Dachau nicht nur überlebt, sondern mit viel Mut und revolutionärer Klugheit die von den Häftlingen in Zwangsarbeit zu leistenden Projekte erfolgreich sabotiert. Mut und Klugheit hatte sich Karl auch für die politischen Auseinandersetzungen in den Nachkriegsjahren bewahrt und vermittelte sie der neuen Generation von Antifaschisten. Dietrich blieb diesen Tugenden treu. 1974 war er in die VNN Bda eingetreten und entwickelte lange Jahre als Vorsitzender im engen Kreis mit Karl und dessen Frau Hilde, seiner Frau Silvia und andern die VVN – Bda in Karlsruhe zu einer tragenden und treibenden Kraft in der Antifa- und der Friedensbewegung. Als Betriebsrat in einer Forschungseinrichtung half er mit, die Initiative der Naturwissenschaftler für den Frieden in Karlsruhe aufzubauen. In den 2000er war er bis zu seinem Tod zusammen mit Studenten und Beschäftigten der Uni aktiv für die Erhaltung der Zivilklauseln für Universitäten und organisierte landesweit den Widerstand gegen deren Abschaffung.
Zentrum seiner Aktivitäten war immer die VVN-BdA. In der schwierigen Zeit zwischen 89 und 91 widerstritt er allen Versuchen, die VVN-BdA an den Mainstream anzupassen. Auf fast allen Bundeskongressen und Landeskonferenzen beeindruckte er mit seinen streitbaren und präzisen Argumentationen für eine prinzipienentreue antifaschistische Politik. Von 2008 bis 2010 war er einer der drei Landessprecher der VVN – Baden Württemberg.
In einem Artikel aus dem Jahr 2009 für die Antifa-Nachrichten schrieb er: „Der für die Landesregierung verantwortliche Minister Peter Frankenberg gießt derweil fleißig Öl ins Feuer. Ende Mai erklärte er laut taz im im Bundesforschungsausschuss, `dass es die Zivilklausel seinethalben überhaupt nicht mehr geben müsse. Die Beibehaltung für den ehemaligen Forschungszentrumsteil habe er sich vom Bund diktieren lassen. ´ Grundsätzlich sei er aber der Meinung, `in einem demokratischen Rechtsstaats mit einer demokratischen Armee sei eine Zivilklausel nicht notwendig. ´“ Er folgerte in dem Artikel: „Im Klartext heißt diese Position: Militärisch ist friedlich. Die demokratische Armee verfolgt nur friedliche Zwecke. Sie schützt die Bürger, egal wie und wo. Wenn der demokratische Rechtsstaat Atomwaffen für erforderlich hält, dann haben Forschung und Rüstungsindustrie dafür zu sorgen. Wenn er es für notwendig hält, seine Soldaten fern der Heimat einzusetzen, kann das nur ein Beitrag zum Frieden sein. Krieg ist Frieden.“
Durch sein unermüdliches Engagement und seine durch hohe Kompetenz ausgezeichneten Sachbeiträge hat er sich große Verdienste um die VVN-BdA, die Antifa- und die Friedensbewegung erworben. Seine Argumente werden uns fehlen.
Helmut Woda (Kreisvereinigung Karlsruhe)