Ein unbeugsames Leben in Oberschwaben
19. April 2024
AN24-2, Buchbesprechung, Ravensburg
Es ist schier unmöglich Leben und Wirken des Alois Thoma in einem einzigen Buch zusammenzufassen. Modellschreiner, Flakhelfer, Soldat, Anreißer, Beugehäftling, Vertreter, Verfuger, Funktionär, Bundestagskandidat, Antifaschist – all das war er, und letzteres ist er natürlich weiterhin. Noch im September letzten Jahres kandidierte der mittlerweile 96 jährige Ravensburger für eine weitere Amtszeit im Kreisvorstand der VVN Oberschwaben.
Uns ist Alois nicht bloß noch erhalten, er prägt auch weiterhin das politische Wirken der VVN. Doch damit auch die nachfolgenden Generationen von seinen Weisheiten und Erfahrungen profitieren können, unternahm die Kreisvereinigung Ravensburg-Oberschwaben den Versuch, zumindest einige Kapitel seines Werdegang in Print festzuhalten. In Zusammenarbeit mit dem Historiker Werner Heinz, Germanist und Politikwissenschaftler, ist dabei ein spannendes Buch entstanden, das nicht nur Einblick in Alois Biografie gibt, sondern dabei auch ein gutes Stück VVN Geschichte vermittelt.
Alois kam 1927 in Ravensburg zur Welt. Den Großteil seiner Kindheit wuchs er im sogenannten „Roten Baienfurt“ auf, das von einer starken Arbeiterbewegung geprägt war. Der Vater war Mitbegründer der dortigen KPD Ortsgruppe. Familie und Freunde waren allesamt politisch, die Mutter wuchs in grenzenloser Armut auf. Die Großeltern Thoma waren Sozialdemokraten. Alois wurde katholisch getauft, was in Baienfurt nicht unüblich war. Es gab einen katholischen Arbeiterverein, der auch Angestellte der Papierfabrik organisierte, in der auch Vater Thoma arbeitete. Nach der Installation der Hitlerfaschisten wurden viele Freunde der Familie im Heuberg, in Welzheim und in Dachau inhaftiert. 1944 zog die Wehrmacht den damals 16 Jährigen Alois zur Grundausbildung ein. Nach dem Krieg ging es für Alois wieder in an die Arbeit, er wurde Gewerkschaftsaktivist und KPD-Mitglied. Im Zuge des Parteiverbots kam er in Beugehaft, um über Strukturen der illegalen Organisation auszusagen. Dies verweigerte er. Später wurde Alois Bundestagskandidat für die ADF und Mitglied der DKP.
Anhand der Biografie von Alois werden in Werner Heinz‘ Abhandlung viele politische Entwicklungen durch den Blickwinkel eines unbeugsamen Leben in Oberschwaben nachgezeichnet. Etwa wie sich die sozialistische Bewegung in Baienfurt formierte, Aufstieg und Fall der Nazifaschisten, Lehren, die die Arbeiterbewegung aus eben jenem zog, und die dazu führten, dass die ersten Gemeinderatswahlen in Baienfurt mit Listenvereinigung von SPD und KPD bestritten wurden. Auch die Gründung der VVN, das KPD Verbot, die Antikriegsbewegung der 50er und 60er und die Aktivitäten der „Aktion Demokratischer Fortschritt“, durch welche wir als VVN gemeinsam mit antimilitaristischen und sozialistischen Parteien und weiteren demokratischen Massenorganisationen für den Bundestag kandidierten, die Berufsverbote und viele weitere Kapitel der deutschen Geschichte sind im Buch dokumentiert. Alles lebhaft geschildert aus der Perspektive eines Menschen, der den historischen Entwicklungen nie gleichgültig gegenüberstand, sondern immer aktiver Bestandteil der demokratischen Widerstandsbestrebungen gegen Sozialabbau, Rechteabbau und Kriegstreiberei war.
Uns allen kann die Biografie Ermutigung sein, diesen Kampf weiterzuführen. Das Buch „Sie machen weite Reisen, Herr Thoma!“ ist seit Dezember im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-9815231-7-1, Werner Heinz, VVN-BdA Ravensburg, Kleb-Druckerei Wangen).