Für Frieden und Abrüstung! – unser friedenspolitisches Seminar in Karlsruhe

geschrieben von A. Cipriano

1. August 2024

, ,

Als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten blicken wir auf eine lange gemeinsame Tradition mit der Friedensbewegung zurück. Nach der Befreiung von Krieg und Faschismus war es für die fortschrittlichen Kräfte Deutschlands klar, dass ein demokratischer Neubeginn nichts anderes heißen kann als mit den alten Machtstrukturen in jeder Hinsicht zu brechen. Die geteilten Erfahrungen mit dem Leid und der Entrechtung, die der Hitlerfaschismus über die Menschen brachte, der größenwahnsinnige Feldzug gegen die Völker Europas, die industrielle und massenhafte Vernichtung politischer Gegner und vom NS-Regime verfolgter Menschengruppen, die bestialische Zerschlagung der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, waren den Menschen aus Widerstand und Verfolgung noch in Erinnerung. Demnach ergab sich auch der damalige antifaschistische Konsens, der die Arbeiterparteien wie auch bürgerlichen Kräfte hinter der Forderung nach einem entnazifizierten, entmilitarisierten und entmonopolisierten Deutschland einte.

Ergo war die Friedensfrage für uns als VVN immer eines der zentralen Politikfelder, neben der sozialen Frage und dem Kampf gegen personelle, juristische und andere politische Kontinuitäten mit dem Naziregime. So können wir auf eine stolze antimilitaristische Geschichte zurückblicken, die etwa die Durchführung der Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands beinhaltet, aber auch den Kampf gegen die allgemeine Wehrpflicht, gegen die militärische Westeinbindung der BRD durch NATO-Beitritt, gegen die atomare Aufrüstung, gegen den Vietnamkrieg, gegen die Unterstützung der Junta in Chile, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Doch leider ist die Bedrohung durch den deutschen Militarismus immer noch präsent. Wie der VVN-Bundeskongress schon 2021 feststellte und auch dieses Jahr bestätigte, ist die Bundesrepublik in aller Welt in Kriege um globale Vorherrschaft, Einflusssphären, Land und Rohstoffe involviert. In der Ukraine ist nun das Szenario eingetreten, vor dem die Friedensbewegung seit Jahrzehnten gewarnt hat: ein offen-geführter Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland.

Seitdem überschlagen sich weltweit die Ereignisse und spitzen sich die sozialen Schieflagen in Deutschland von Tag zu Tag weiter zu. Keiner von uns kann in diesen Zeiten auf die gemeinsame Diskussion mit Kameradinnen und Kameraden zur Erarbeitung einer Einschätzung und Handlungsperspektive verzichten. Um diesem gestiegenen Diskussionsbedarf, der sich naturgemäß aus der sich zuspitzenden Lage ergibt, gerecht zu werden, haben wir als Landesvereinigung Baden-Württemberg am 10. März zur gemeinsamen mitgliederöffentlichen Diskussion in Karlsruhe eingeladen, an der Kameradinnen und Kameraden aus den unterschiedlichsten Ecken Baden-Württembergs teilnahmen. Das dort durchgeführte Seminar sollte uns als Auftakt zur Debatte dienen.

Wie es in der Geschichte der Friedensbewegung schon immer üblich war, standen wir auch auf dem Seminar nicht ohne Verbündete da. So durften wir als Referenten den für uns aus London angereisten Autoren und Journalisten Jörg Kronauer, wie auch den Militarisierungsexperten Jürgen Wagner aus dem geschäftsführenden Vorstand der Informationsstelle Militarisierung begrüßen. Mit ihnen gemeinsam diskutierten wir über Hintergründe und Ursachen des Ukrainekrieges, über militaristische Kontinuitäten in der BRD und die Auswirkungen der „Zeitenwende“-Politik, aber auch über die Verbindung der Friedensfrage mit den zum damaligen Zeitpunkt vor der Tür stehenden EU- und Kommunalwahlen und über unsere Rolle in der Baden-Württembergischen Friedensbewegung.

Die Diskussionen verliefen erfreulich sachlich und zielgerichtet, nicht zuletzt deswegen, weil alle Teilnehmenden spürbar daran interessiert waren, die Auseinandersetzung nicht um ihrer selbst willen zu führen, sondern um uns politisch weiterzubringen. So gab es nicht nur Kontroversen, sondern auch große Einigkeit – etwa in Bezug darauf, dass wir uns an die Seite der innergewerkschaftlichen Bewegung für klare Kante gegen Krieg stellen und die „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg!“-Kampagne aktiv unterstützen. Unstrittig war ebenfalls, dass den heimischen Kriegstreibern weiterhin unser Protest gebührt, dass die Friedensfrage untrennbarer Bestandteil des Antifaschismus ist, dass die soziale Frage für uns essenziell bleibt.

Auch die Workshops zum Thema „Friedensbewegung in Baden-Württemberg“ sowie „Frieden und Abrüstung bei den EU- und Kommunalwahlen“, die von unserem ehemaligen Geschäftsführer Dieter Lachenmayer, der dieses Jahr seinen 40. Stuttgarter Ostermarsch organisierte, beziehungsweise unserer Tübinger Kameradin und Gemeinderatsabgeordneten Gisela Kehrer-Bleicher und unserem Referenten Alexander Kleiss, ebenfalls von der Informationsstelle Militarisierung, organisiert wurden, trugen neben der unübertrefflichen Gastfreundschaft der Kreisvereinigung Karlsruhe, die uns nicht nur den Tagungsraum sondern auch Getränke und Gebäck bereitstellte, dazu bei, dass wir alle auf einen angenehmen und ertragreichen Sonntag zurückblicken können.

Die dort geführten Diskussionen haben für unsere Landesvereinigung auch jetzt schon Früchte getragen. So konnten wir etwa die gewonnenen Erkenntnisse in eine Schwerpunktausgabe der Antifa Nachrichten zu den EU- und Kommunalwahlen einfließen lassen, in der das Thema Frieden nicht zu kurz kam. Wir konnten als Landesvorstand eine asylpolitische Broschüre erarbeiten, die unter anderem über den Krieg als Hauptfluchtursache aufklärt, und somit unsere Kreisvereinigungen mit Argumenten und Material für Aktionen versorgen. Wir konnten mit der Stellungnahme zum Antikriegstag, die sich ebenfalls in diesem Magazin befindet, zeigen, dass wir dazu im Stande sind eine Positionierung zu den aktuellen militaristischen Entwicklungen vorzunehmen und in der Friedensfrage entsprechend unserer Kapazitäten wirken können.

Auf dem Seminar in Karlsruhe wurden die uns umhertreibenden Fragen nicht abschließend behandelt. Abschließend behandeln lassen sie sich in Zeiten, in denen fast alles in Frage gestellt wird, auch nicht. Die Diskussionen gehen weiter, auf den Mitgliederversammlungen der Kreisvereinigungen, auf den Sitzungen der Vorstandsgremien, auf den Themenseiten der Antifa Nachrichten und mit unseren Bündnispartnern in der Bewegung. Wir sind immer wieder dazu gezwungen, uns mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen, mit der Debatte um die Wiederaktivierung der Wehrpflicht, mit der Aushöhlung der Demokratie, der Friedensdemagogie rechter Akteure und ihr zunehmender Erfolg eben auch damit Stimmenfang zu betreiben, mit der Sparpolitik im sozialen Bereich und mit den kriegerischen Konflikten, die rund um uns herum Tag für Tag angeheizt werden. Hoffnung macht, dass wir in Karlsruhe unter Beweis stellen konnten, dass wir diese Diskussionen gewinnbringend führen können und dabei Handlungsfähig bleiben.

Lasst uns also auch am 1. September demonstrieren, dass wir als Vereinigung dazu im Stande sind, unseren Beitrag zur antifaschistischen und antimilitaristischen Wende zu leisten, von der unserer Gründerinnen und Gründer träumten.