Demokratisch durch die Pandemie
9. April 2020
Demokratisch durch die Pandemie !
Die Corona-Pandemie stellt die Welt plötzlich vor tödliche Gefahren.
Das Virus interessiert sich dabei nicht für Politik. Politisch sind
allerdings die Reaktionen der Regierungen und Parteien.
Zahlreiche Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten wurden innerhalb
kurzer Zeit weltweit eingeführt. Diese Maßnahmen sind objektiv
notwendig, um ein Massensterben zu verhindern. Gleichzeitig wird
erkennbar, dass in dieser Krise in vielen Ländern bereits zuvor
erkennbare autoritäre und restriktive Entwicklungstendenzen verstärkt
und beschleunigt werden.
Innerhalb der EU gilt dies insbesondere für die Regierung Ungarns, die
die parlamentarische Arbeit auf unbestimmte Zeit hat aussetzen lassen.
Auch in Deutschland gibt es von Seiten der Bundes- und Landesregierungen
problematische Äußerungen, Erwägungen, Gesetzesvorhaben und teilweise
auch Maßnahmen.
Begleitet werden diese Tendenzen ebenfalls in vielen Ländern durch
extrem rechte, xenophobe, rassistische und insbesondere antisemitische
Verschwörungstheorien, die sich auf Ursprung, Verbreitung und Folgen der
Corona-Pandemie beziehen.
Zu dieser Situation fordert die VVN-BdA folgendes:
• Begriffe wie „Ausgangssperre“, „Ausnahmezustand“ und „Krieg“ haben
in der Krisenbewältigung nichts zu suchen. Sie machen unnötig Angst und
suggerieren militärische Lösungen für medizinische und gesellschaftliche
Probleme.
• Alle Verordnungen und Maßnahmen müssen konkret begründet, zeitlich
befristet, auch durch unabhängige Experten bewertet und ausgewertet
werden und auf das notwendige Maß beschränkt sein. Dies gilt jeweils
auch für zeitliche Verlängerungen.
• Verordnungen und Maßnahmen müssen Gegenstand parlamentarischer
Kontrolle sein.
• Gesetzgeberische Prozesse, insbesondere die sich auf
Krisenbewältigung beziehen, sind auf die Zeit nach der Pandemie zu
verschieben. Gute Gesetze brauchen Zeit zur Reflexion.
• Notwendige Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum sind mit
Augenmaß durchzusetzen. Spaziergänger sind keine Verbrecher.
• Politische Aktivitäten im öffentlichen Raum, die die notwendigen
Einschränkungen beachtet, müssen selbstverständlich möglich sein.
• Besonders gefährdet sind Obdachlose und Geflüchtete. Sie bedürfen
einer besonders guten Fürsorge, nicht martialischer Abschottung. Es
müssen Maßnahmen für eine angemessene Unterbringung ergriffen werden, z.
B. in Hotels.
• Die gefährlichen Lagern an der EU-Außengrenze und in Griechenland
müssen aufgelöst und die Geflüchteten evakuiert und dezentral
untergebracht und versorgt werden.
• Deutschland muss endlich den Kindern und Jugendlichen, zu deren
Aufnahme sich „Solidarische Städte“ bereiterklärt haben, aufnehmen.
• Das Militär kann Transport- und Hilfsdienste leisten, aber nicht
Ordnungsmacht im Inneren sein. Die Trennung von Polizei und Militär ist
unabdingbar. Bundeswehrsanitätskräfte sind der zivilen Leitung zu
unterstellen.
• Die EU muss den Missbrauch der Pandemie zur Festschreibung
strukturell antidemokratischer Ziele in ihren Mitgliedsstaaten
unterbinden.
• Verschwörungstheoretische Erklärungsmuster, auch wenn sie vorgeben
„für das Volk“ zu sprechen, sind zurückzuweisen. Die Krise nutzen
wollende faschistische Gruppen sind aufzulösen.
• Nach Abschluss der Pandemie bedarf es einer breiten
gesellschaftlichen Auswertung: Welche Maßnahmen haben sich im Nachhinein
als richtig erwiesen, auf welche könnte in einem ähnlichen Fall
verzichtet werden?
Cornelia Kerth, Axel Holz