Antifaschistische Strategien: Diskussionsbedarf in Pforzheim

geschrieben von Rüdiger Jungkind

19. April 2024

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Vorgeschichte:

Im Herbst 2022 wurde bei einer Online-Veranstaltung der Initiative gegen Rechts (IgR) ein Rahmenwerk vorgestellt, dessen (unerklärtes) Ziel es war, einen Umgang mit dem Offenen Antifaschistischen Treff (OAT) zu finden. Verschiedene Bündnispartner hatten erklärt, insbesondere wegen aufgetauchter Graffities nicht mit dem OAT zusammenarbeiten zu wollen. Würde das OAT in die IgR „aufgenommen“, würden sie ihre Mitarbeit einstellen.

Kern des Rahmenwerks:

  • Bekenntnis zur Gewaltfreiheit,
  • Entscheidungen per Mehrheitsbeschluss,
  • jede Person/Mitgliedsorganisation hat eine Stimme und
  • eine Person kann nur eine Organisation vertreten.
  • Neuaufnahmen von Organisationen benötigen eine 2/3-Mehrheit, ebenso könnten Mitglieder ausgeschlossen werden.

Kritik der Kreisvereinigung:

  • Ein Bündnis könne nur im Konsens entscheiden,
  • Entscheidungen per Mehrheitsbeschluss seien wegen der Asymmetrie von Personen und Organisationen undemokratisch,
  • Einzelpersonen könnten das Bündnis gezielt unterlaufen und
  • an den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gerichtet: Das Prinzip, eine Person könne nur für eine Organisation sprechen, unterlaufe den Grundsatz der Einheitsgewerkschaft, wonach eben gerade eine Vielfalt demokratischer Auffassungen gleichberechtigt nebeneinander existieren. (Anmerkung: einige Personen, die im DGB-Kreisvorstand mitarbeiten, vertreten im Bündnis auch Parteien oder andere Organisationen.)
  • Letztendlich atme das Rahmenwerk den Geist des Misstrauens.

Das Rahmenwerk wurde letztendlich auch mit der Unterstützung des DGB mit einigen Modifikationen verabschiedet:

  • Vorrang: Konsensprinzip,
  • Mitgliedsorganisationen haben 2, Personen 1 Stimme,
  • Aufnahme von Organisationen: die einfache Mehrheit reicht.

Die VVN-BdA hat erklärt, dass sie das Rahmenwerk nicht unterzeichnen werde.

Der 23. Februar 2024:

Für den 23. Februar war ein Konsens gefunden: Kundgebungen und eine Demonstration für den Jahrestag der Bombardierung Pforzheims ab 17 Uhr. Wie jedes Jahr, hatte die Pforzheimer Zeitung (PZ) Mitte Februar einen grob unsachlichen Artikel über die Aktionen des Bündnisses „Nicht lange fackeln!“ und des OAT gedruckt. Daraufhin hat die IgR eine Sitzung anberaumt. Eine knappe Mehrheit der IgR (die VVN-BdA war nicht anwesend, hat aber im Vorfeld erklärt: „Die PZ schreibt, unsere Planung bleibt!“) hat beschlossen, die Veranstaltung auf den Sonntag zu verschieben, um „möglichst vielen Pforzheimerinnen und Pforzheimern“ die Teilnahme zu ermöglichen und sich ausdrücklich von der „linksradikalen Demonstration“ des Bündnisses „Nicht lange fackeln!“ distanziert. Diese war ab 18 Uhr unabhängig von der der IgR angemeldet.

Die VVN-BdA Kreisvereinigung Pforzheim hat bei der Kundgebung des Bündnisses „Nicht lange fackeln!“eine Rede zum Auftakt der Demonstration gehalten (Link zur Rede) und das Vorgehen in der IgR kritisiert. Sie hat sich insbesondere auf die Tradition des Antimilitarismus berufen und erklärt, dass der Kampf gegen Rechts und der für Frieden und Abrüstung zusammengehören. Wir dürften uns nicht spalten lassen! So auch der Jugendsekretär der IG Metall, Jonathan Stumpf.

Die PZ musste am 24. Februar einräumen, dass die Demonstration am Vortag „gewaltfrei“ verlaufen wäre.

Um die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zu unterstreichen, hat die VVN-BdA auch an der verlegten Kundgebung der IgR am Sonntag, 25. Februar, teilgenommen. Erfreulich war, dass mindestens dreimal so viele Menschen zusammenkamen als am Freitag. Die VVN-BdA stellte sich als Bündnisteilnehmerin vor:

Wir werden weiterhin für den Zusammenhalt aller Antifaschistinnen und Antifaschisten eintreten!