Nicht gegeneinander ausspielen lassen! Asylrecht geht uns alle an!

8. Juli 2024

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Die neu erschienene asylpolitische Broschüre der VVN-BdA Baden-Württemberg klärt über Verschärfungen im Asylrecht, wirtschaftliche Zusammenhänge und die Fluchtursachen schaffende Kriegspolitik der Regierung auf. Sie ist bei der Landesvereinigung erhältlich (Mail an das Landesbüro). Im Folgenden veröffentlichen wir einige Textauszüge aus der Broschüre:

Das UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR registrierte Ende 2023 weltweit ca. 114 Millionen Flüchtlinge. Im Jahr 2009 waren es noch ca. 40 Millionen Menschen, somit eine Steigerung um 185% innerhalb von 14 Jahren. In Deutschland dreht sich die politische Debatte weniger darum, wie Fluchtursachen beseitigt und damit weniger Menschen flüchten müssen, es geht vor allem um Abwehr von Geflüchteten. Zu den Fluchtursachen zählen im großen Stil auch deutsche Waffenexporte und deutsche Kriegseinsätze. Um von der Mitverantwortung an dieser Politik abzulenken, werden in der politischen Debatte daher Flüchtlinge nicht als Opfer, sondern als Täter dargestellt. Notleidende Menschen auf der Flucht seien eine „Gefahr“, die es abzuwenden gelte. Das Resultat ist eine tödliche Abschottungs- und Abschiebepraxis auf nationaler und EU-Ebene. Mit der Übernahme rechter Forderungen stärkt die aktuelle Regierungspolitik zugleich rechte und rechtsextreme Positionen und trägt dazu bei, den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu verschieben. Parteien wie der AfD wird dadurch der Nährboden bereitet.

Menschenrecht auf Asyl?
Artikel 14, Satz 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formuliert das Recht auf Asyl. Artikel 16a, Satz 1 des Grundgesetzes überführte dieses allgemeine Menschenrecht 1949 in ein nationales Grundrecht, jedoch mit einer ganzen Liste von Einschränkungen. 1992 beschloss der Bundestag eine Grundgesetzänderung, die das Recht auf Asyl stark einschränkte. Die sogenannte „Drittstaatenregelung“ führte zum Ausschluss vom Asylrecht für alle, die einen Deutschland „umgebenden Drittstaat“ durchquert hatten und erleichterte die Möglichkeiten für Abschiebungen. Dass es den deutschen Regierungen stets mehr um Abwehr von Flüchtlingen als um deren Rechte ging, zeigt auch ganz aktuell wieder das kürzlich beschlossene „Rückführungsverbesserungsgesetz“. Mit diesem Gesetz werden nicht nur die bereits bestehenden umfangreichen Möglichkeiten der zwangsweisen Abschiebung von Geflüchteten weiter ausgebaut, auch die zivile Seenotrettung noch mehr kriminalisiert. Der Sprecher der zivilen Seenotrettung Sea Watch, Oliver Kulikowski, sagte dazu: „Im Gegensatz zur AfD braucht die Bundesregierung kein Geheimtreffen, um die massenhafte Entrechtung von Menschen zu diskutieren, sie schlägt das einfach als Gesetz vor. Die Rettung von Kindern aus Seenot und das Sichern von Grundbedürfnissen an den Grenzen mit Haft zu bedrohen, ist einfach nur niederträchtig.“ Mit der Unterstützung des tödlichen EU-Grenzregimes, d.h. der militärischen Befestigung der EU-Außengrenzen zum „Schutz“ vor Flüchtlingen, sowie der weiteren Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) beteiligt sich die Bundesregierung auch auf EU-Ebene an der weiteren Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl.

Der faktischen Abschaffung des Asylrechts liegt der Mythos von der sogenannten „Flüchtlingskrise“ als Hauptproblem der Gesellschaft zugrunde. Es war die AfD, die in den letzten Jahren den Begriff „irreguläre Migration“ in der Flüchtlingsdebatte vor sich hergetragen hat. Mittlerweile wird dieser Begriff wie selbstverständlich von der CDU bis zu den Grünen ohne Nachdenken verwendet. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck forderte jüngst „Spielräume zu entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen.“ Jens Spahn (CDU) sprach sich für die Anwendung von „direkter physischer Gewalt“ an den EU-Außengrenzen aus. Der Landesparteitag der CDU Baden-Württemberg beschloss 2023 einen Antrag zur Abschaffung des individuellen Asylrechts und der Auslagerung von Asylverfahren. Grünen-Chefin Ricarda Lang und Ministerpräsident Wilfried Kretschmann sprachen sich für einen „neuen demokratischen Grundkonsens in der Migrationspolitik aus“, einschließlich Massenabschiebungen. Dies alles entspricht ganz dem Kurs der Bundesregierung. So kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende 2023 an: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“

Rechtsentwicklung und Krieg stoppen!
Die Enthüllungen in den Medien über die Abschiebepläne von AfD, Identitären und rechten CDUlern sorgten Anfang 2024 bundesweit für Empörung. Eine breite antifaschistisch-demokratische Bewegung ist das Gebot der Stunde. Jedoch: Ein Protest allein gegen rechts, gegen die AfD und ohne dabei zugleich die Verantwortung der Regierungspolitik zu benennen, greift zu kurz. Eine solidarische, gerechte und menschenwürdige Gesellschaft im Innern und eine friedliche auf Diplomatie und Kooperation setzende Außenpolitik sind zwei Seiten derselben Medaille. Der Widerstandskämpfer Karl Wagner sagte hierzu: „Rechtsentwicklung im Innern und Aggression nach Außen sind Zwillingsbrüder.“ Dies ist die Lehre aus der Geschichte, die im Schwur von Buchenwald ihre Losung findet: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“