Von der Weimarer Republik zur faschistischen Diktatur
10. Juni 2025
Die Weimarer Republik war das Ergebnis der militärischen Niederlage des deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution 1918. Sie war der Versuch der alten Eliten – darunter führende Großindustrielle, Bankiers, Großagrarier, Militärs, Staatsbeamte -, unter Einbeziehung der rechten Sozialdemokratie, ihre Macht zu erhalten und zu sichern. Ihnen stand eine starke, organisierte Arbeiterbewegung entgegen, die am 9. November 1918 zum Sturmlauf ansetzte. Die Revolutionäre waren sich einig in ihrer Ablehnung von Monarchie, Krieg, Militarismus, Deutschtümelei und imperialem Großmachtstreben. In der frühen Phase der Weimarer Republik wirkten die politischen Kämpfe der Novemberrevolution nach. Es kam zu Unruhen, Streiks und Massenaufständen. In München bildete sich 1919 die Räterepublik, die jedoch von der Reichsregierung mit Hilfe rechtsextremer Freikorps brutal niedergeschlagen wurde. Ebenso 1923 die Arbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen sowie der Hamburger Aufstand -, um nur einige Beispiele zu erwähnen. Um einen revolutionären Umsturz zu verhindern sahen sich die zumeist konservativ und nationalistisch eingestellten Eliten zu demokratischen und sozialen Zugeständnissen gezwungen.
Konsolidierung und Machterhalt
Ende 1923/Anfang 1924 endete die revolutionäre Nachkriegsphase. Die bürgerliche Grundordnung der Weimarer Republik mit Friedrich Ebert als Reichskanzler wurde stabilisiert und gefestigt. Dies geschah mittels des Ermächtigungsgesetzes vom 13. Oktober 1923, welches der Regierung unter Reichskanzler Gustav Stresemann in §1 erlaubte, „von den Grundrechten der Reichsverfassung (abzuweichen)“. Die Konsolidierung der ersten bürgerlichen Demokratie in Deutschland begann also mit einer Einschränkung der Grundrechte. Diese richtete sich insbesondere gegen die Arbeiterbewegung. Die Folgen waren u.a. eine Einschränkung des 8-Stunden-Tages, die Einführung einer staatlichen Zwangsschlichtung bei Tarifkämpfen und ein massiver Personalabbau im öffentlichen Dienst. Die folgenden Massenstreiks gegen den sozialreaktionären Kurs wurden mit Polizeigewalt, Aussperrungen und Zwangsschlichtungen niedergeschlagen. Die KPD wurde am 23. November 1923 kurzzeitig verboten.
Der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nach dem Krieg wurde insbesondere von den USA und Großbritannien unterstützt. Der Zustrom ausländischen Kapitals nach Deutschland stieg dadurch sprunghaft an. Diejenigen Unternehmungen und Konzerne, die wirtschaftlich eng mit den USA und Großbritannien verflochten waren, profitierten zunächst von diesen Regelungen. Revanchisten und Militaristen dagegen war die Akzeptanz des Versailler Vertrags ein Dorn im Auge.
Rechtsentwicklung und Wiederbewaffnung
In den Jahren 1924 und 1925 vollzog sich innenpolitisch eine Kräfteverschiebung zugunsten der Rechtskräfte und Militaristen. Der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx bildete erstmals Reichsregierungen ohne SPD-Beteiligung. Nach dem Tod Friedrich Eberts wurde im April 1925 der ehemaliger kaiserliche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zum Staatsoberhaupt gewählt. Die gesellschaftliche Rechtsentwicklung begünstigte auch den Aufstieg der NSDAP, die ab 1927 an Stärke gewann. Zwar kam die SPD 1928 wieder an die Regierung, setzte den gesellschaftlichen Rechtskurs jedoch fort. Mit ihrer Unterstützung folgten u.a. eine weitere Einschränkung des Streikrechts (z.B. gegen den Kampf der Metallarbeiter im Ruhrgebiet) und eine zunehmende Repression gegen kämpferische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Zudem wurden die Rüstungsausgaben massiv erhöht. Entgegen ihres Wahlversprechens unterstützte die SPD das Vorhaben, als erstes Schiff einer Serie den „Panzerkreuzer A“ zu bauen. Der militaristische Kurs wurde sowohl mit der Notwendigkeit der Landesverteidigung gegen eine angeblich drohende russische Aggression begründet, als auch mit dem Argument, Arbeitsplätze in Krisenzeiten zu sichern.
Präsidialkabinette und Mobilmachung
Die Weltwirtschaftskrise ab Herbst 1929 traf Deutschland besonders hart. Der Ruf nach autoritäreren Krisenlösungen und einem Abbau sozialer und demokratischer Rechte wurde lauter. Der Reichsverband der Deutschen Industrie z.B. hatte bereits vor der Weltwirtschaftskrise ein Programm zum Sozial- und Demokratieabbau entwickelt. 1930 wurde Heinrich Brüning neuer Reichskanzler. Mit Notverordnungen und unter weitgehender Ausschaltung des Parlaments suchte die Regierung Brüning den Forderungen der Unternehmerverbände zu entsprechen. Die Phase der sogenannten Präsidialkabinette begann. In dieser wurden die verfassungsmäßig garantierten Rechte und Freiheiten abgebaut und das parlamentarische Regierungssystem schrittweise untergraben. Im Fahrwasser dieser Rechtsentwicklung konnte sich die NSDAP immer stärker als aggressivste und reaktionärste politische Partei hervorheben. Ihre Unterstützung durch Industrielle und Bankiers wuchs. Bei den Reichstagswahlen 1930 wurde sie mit 18,3% zweitstärkste Kraft. Die Rechtsentwicklung im Innern ging einher mit einer Aufrüstungspolitik. Bereits im Frühjahr 1930 trat ein Mobilmachungsplan in Kraft, der die Vorgaben des Versailler Vertrages sprengte. Im Herbst 1930 wurde das erste, Anfang 1932 das zweite Rüstungsprogramm verabschiedet. Die staatlichen Gelder flossen in die Kassen von Krupp, Rheinmetall und anderer Rüstungskonzerne. An die Stelle Brünings trat 1932 Franz von Papen. Dieser trieb die Rechtsentwicklung weiter voran, indem er faschistischen Terrororganisationen praktisch freie Hand gab. Dagegen wurden antifaschistische Organisationen kriminalisiert und verboten, z.B. die Rote Hilfe. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 erreichte die NSDAP mit 37,3% ihr höchstes Ergebnis. Reichspräsident von Hindenburg, Reichskanzler von Papen und Reichswehrminister Kurt von Schleicher verhandelten im August 1932 mit Hitler über die Beteiligung der NSDAP an einer Koalitionsregierung. Die Verhandlungen scheiterten, da Hitler nicht nur eine Regierungsbeteiligung forderte, sondern selbst zum Reichskanzler ernannt werden wollte. Bereits im Vorfeld, am 27. Januar 1932, sicherte sich Hitler dafür die Unterstützung des Düsseldorfer Industrieclubs.
Machtübertragung
Im November 1932 kam es zu Neuwahlen, bei denen die NSDAP jedoch zur Überraschung und zum Entsetzen ihrer Unterstützer aus Industrie und Hochfinanz an Stimmen einbüßte. Sie erreichte zwar mit 33,1% die meisten Stimmen, verlor jedoch über zwei Millionen Wählerinnen und Wähler. Zugleich wendete sich die Stimmung im Land. Die KPD erreichte den größten Stimmenzuwachs von allen Parteien und kam auf 16,9%. Gemeinsam mit der SPD (20,4%) lagen die beiden Arbeiterparteien zusammen damit deutlich über dem Wert der NSDAP. Die Arbeitskämpfe und Streikbewegungen gegen Sozialabbau und Kriegsvorbereitung nahmen zu. General Kurt von Schleicher wurde zum Reichskanzler ernannt und errichtete eine konservativ-militaristische Diktatur. Deren Maßnahmen konnten den organisierten Widerstand der Arbeiterbewegung jedoch nicht brechen. Seit Mitte Dezember 1932 sammelten sich daher diejenigen Kräfte, die eine Diktatur mit Adolf Hitler als Reichskanzler durchsetzen wollten. Deren Zweck sollte sein, die Arbeiterbewegung endgültig zu zerschlagen und den Krieg gegen die Sowjetunion siegreich zu führen. „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“, lautete die Parole der KPD bereits bei der Reichstagswahl 1932. Bankier Kurt von Schröder organisierte im Januar 1933 konkrete Verhandlungen über die Bildung eines Hitler-Kabinetts; beteiligt waren der Bankier Hjalmar Schacht und der Vorsitzende des Reichsverbands der Deutschen Industrie, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Am 28. Januar trat die Schleicher-Regierung zurück und machte den Weg für Hitler frei. Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung aus NSDAP, DNVP (Deutschnationale Volkspartei) und weiteren rechtskonservativen, parteilosen Ministern, die bereits unter von Papen ein Amt ausgeübt hatten. Mit der Machtübertragung an die Faschisten vollzog sich nicht nur ein einfacher Regierungswechsel, sondern die Form der Machtausübung wurde grundsätzlich verändert. Die parlamentarische Demokratie wurde durch eine offen terroristische Diktatur ersetzt.
Und heute?
In der aktuellen politischen Debatte werden immer wieder Parallelen zu den letzten Jahren der Weimarer Republik angemahnt. Der Erfolg der AfD, die bei der Bundestagswahl 2025 mit 20,7% zweitstärkste Kraft wurde, erinnert an den Aufstieg der NSDAP. „Damals die NSDAP, heute die AfD“, hieß es bereits im Juni 2024 in einer eindringlichen Botschaft der Nachkommen von Widerstandskämpfern und Widerstandskämpferinnen. Die Annäherung der CDU/CSU an die AfD bis hin zur offenen Zusammenarbeit vor der Bundestagswahl erinnert an die unrühmliche Rolle der Zentrumspartei, in deren politischer Nachfolge die CDU steht. Die Wiederbelebung militaristischer Traditionen und Denkweisen durch die Ampel-Regierung, sowie deren drohende Verschärfung durch die zukünftige Bundesregierung (vgl. die Debatte um ein neues, gigantisches „Sondervermögen“ für das Militär) erinnern an die militaristischen Krisenlösungen Ende der 1920er /Anfang der 1930er Jahre.
Historische Vergleiche haben ihre Grenzen, da jede historische Situation einzigartig ist. Auf der anderen Seite gibt es Kontinuitäten in der Geschichte, so dass die Wurzeln heutiger Entwicklungen weit in der Vergangenheit liegen können. Die Rechtsentwicklung der Weimarer Republik im Zusammenspiel mit Aufrüstung und Revanchismus führten zu einem Erstarken des Faschismus und ebneten diesem den Weg. Am 8. Mai 1945 zogen die Anti-Nazi-Kräfte die richtigen Lehren aus der Geschichte und fanden in einem antifaschistischen Grundkonsens eine gemeinsame Basis: „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!“ Dazu stehen Sozial- und Demokratieabbau in einem unversöhnlichen Gegensatz, genauso wie eine Politik der „Kriegstüchtigkeit“.