Brauner Ungeist
24. Mai 2019
Wir dokumentieren folgenden Leserbrief von unserem Mitglied Jens Rüggeberg. Er wurde am 22.5.2019 im Schwäbischen Tagblatt veröffentlicht.
Brauner Ungeist
(Einleitung der Redaktion)
Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung Deutschlands vom Naziregime. Die Veranstalter einer Kundgebung in Tübingen sehen sich in der Tradition des Schwurs der Überlebenden des KZ Buchenwald: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ (9. Mai). Dazu gab es Leserbriefe von Claudia Hillenbrand-Pantelidis (10. Mai) und Henning Zierock (15. Mai):
Der Leserbrief von Jens Rüggeberg:
„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, Ihren Angehörigen schuldig.“ So lautet die Passage aus dem Schwur von Buchenwald im Kontext. Damit ist klar: Die überlebenden Häftlinge von Buchenwald, die ihren Schwur auf dem ehemaligen Appellplatz wenige Tage nach ihrer (Selbst-)Befreiung ablegten, strebten keineswegs einen neuen Vernichtungsfeldzug an, wie Frau Hillenbrand-Pantelidis meinte, sondern einerseits eine justizielle Aufarbeitung der Verbrechen der Nazis und andererseits eine „Welt des Friedens und der Freiheit“.
Das ist – leider! – nach wie vor aktuell. Immer noch sind einzelne Nazi-Verbrecher, inzwischen im Greisenalter, vor Gericht zu stellen. Mord verjährt nicht. Und eine „Welt des Friedens und der Freiheit“ scheint weiter entfernt denn je, denn „der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ (Brecht). Allerorten erhebt sich wieder der braune Ungeist, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus werden selbst in der Mitte der Gesellschaft wieder salonfähig, namentlich USA und EU rüsten gewaltig auf, und der Sozialstaat, auch er ein Ziel der überlebenden Häftlinge damals, wird demontiert. Dazu können wir nicht schweigen. Engagieren auch Sie sich gegen die Wiederkehr des braunen Ungeistes und für „eine Welt des Friedens und der Freiheit“, nicht zuletzt jetzt bei den anstehenden Wahlen!
Jens Rüggeberg, Tübingen, für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Tübingen-Mössingen
Quelle: Schwäbisches Tagblatt, 22. Mai 2019