Kämpfer für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit
11. Februar 2025
AN25-1, Frieden, Geschichte, Sozialpolitik
Bernhard Mainz über Walter Vielhauer

Ich lernte Walter Vielhauer im Jahre 1981 nach einer Demonstration mit Blockade gegen eine Veranstaltung der HIAG in Heilbronn kennen. Seine Art zu reden und Zusammenhänge zu erklären, machte auf mich einen prägenden Eindruck. Später begleitete ich Walter mehrfach zu Vorträgen an Schulen und es war immer etwas Besonderes, seinen Erzählungen mit seinen klaren, verständlichen Worten zuzuhören. Seine Worte kamen bei den jungen Menschen gut an; sie waren für Walter ein sehr wichtiger Teil der Zukunft Deutschlands.
Walter, geboren am 1. April 1909 in Reutlingen, kam 1914 als Kind nach Heilbronn. Er begann 1924 eine Lehre zum Silberschmied bei der Firma Bruckmann in Heilbronn. 1927 trat er in den Deutschen Metallarbeiter- Verband ein. In dieser Zeit begann seine politische Willensbildung. Durch die gewerkschaftliche Arbeit lernte er den Kommunistischen Jugendverband Deutschland kennen und wurde 1928 Mitglied. 1930 trat er in die KPD ein.
Gleich zum Beginn der Naziherrschaft in Deutschland wurde er im März 1933 verhaftet und kam ins Gefängnis. Danach war er in verschieden KZ inhaftiert: KZ Heuberg, KZ Oberer Kuhberg, KZ Dachau, KZ Mauthausen. Im Sommer 1944 wurde das Todesurteil gegen ihn gefällt und er kam ins KZ Buchenwald. Nur mit Hilfe des illegalen Lagerkomitees überlebte er – getarnt als französischer Häftling.
„Nackt unter Wölfen“ und Rückkehr nach Heilbronn
Gemeinsam mit Kameraden wie Willi Bleicher war Walter an der Rettung von Stefan Jerzy Zweig beteiligt. Walter übernahm im KZ Buchenwald den Schutz und die Betreuung von Jerzy. Nach der Befreiung des KZ Buchenwald pflegten Walter und Jerzy einen engen Kontakt bis zu Walters Tod.
Im Juli 1945 kehrte Walter nach Heilbronn zurück und wurde von den Amerikanern zum Dezernenten für Wohnungswirtschaft, Arbeitsverwaltung und sozialen Angelegenheiten ernannt. Die Aufgaben der provisorischen Verwaltung waren enorm, da die Innenstand von Heilbronn nach der Bombardierung im Dezember 1944 vollständig zerstört war.
Auch war Walter mit Helmut Riegraf Ankläger bei der Spruchkammer zur Entnazifizierung in Heilbronn. Aber beide waren schnell fassungslos enttäuscht über die Farce der Verfahren und stellten sich nicht mehr zur Verfügung.
Walter setzte sich stark für den Wideraufbau der Gewerkschaften ein. Er unterstütze die Einheitsgewerkschaft und wurde im März 1947 zum 2. Vorsitzenden der ÖTV gewählt.
Antikommunismus ab 1947
1946 wird Walter für die KPD in den Gemeinderat Heilbronn gewählt. Daraufhin scheidet er aus der Stadtverwaltung aus.
Walter Vielhauer 1983:
„Die westlichen Besatzungsmächte hatten erkannt, dass sie für die Wiederherstellung der monokapitalistischen Gesellschaftsordnung deren ökonomische und politische Stützen, die nazistischen Wehrwirtschaftsführer und die Verwaltungsbeamten, Juristen und Generale Adolf Hitlers, benötigten. Der „Kalte Krieg“ begann….Wer zwölf Jahre einen zähen und opferreichen Widerstand gegen Kriegsvorbereitung und Krieg geführt hatte, sollte aus dem öffentlichen Leben verschwinden.“
Immer wieder stemmte sich Walter gegen den Antikommunismus. Er kandidierte für die KPD im Bundestag, im Landtag und als Oberbürgermeister in Heilbronn. Mit dem Verbot der KPD musste er aus dem Gemeinderat ausscheiden. Auch privat hatte er und seine Familie zu kämpfen. Seine wirtschaftliche Lage verschlechterte sich extrem. Ein Freund verhalf ihm zu einer Tätigkeit in Fulda von 1957 bis 1964. Danach kehrte er wieder nach Heilbronn zurück und setze seine politische Arbeit fort.
Antifaschist und Friedensaktivist
Walter war sehr engagiert im Kampf gegen alte und neue Nazis und gegen die Wiederbewaffnung von Deutschland sowie gegen die Aufrüstung. Ich kann mich an keine Kundgebung oder Demonstration erinnern, wo Walter bis zu seinem Tod nicht präsent war und oftmals auch als Redner auf der Bühne stand. So hielt er zum Beispiel beim Friedenszug 1982 des DGB Heilbronn oder 1984 beim Ostermarsch auf der Waldheide, wo damals noch die Amerikaner Raketen stationiert hatten, beeindruckende Reden. Seine klaren und verständlichen Worte ohne Rachegedanken an die Nazis oder keine Bitterkeit an die Jahre im Gefängnis und Konzentrationslager wirken bei vielen Menschen. Er machte uns deutlich, dass Faschismus und Krieg nicht zu trennen sind und dass Krieg keine Lösung ist, sondern es nur Opfer gibt und keine Gewinner unter uns gibt. In Kriegen sind Kinder und Frauen die größten Verlierer.
Walter war natürlich auch an der Gründung der VVN beteiligt und er setzte sich für die Verwirklichung des Schwur von Buchenwald Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus ein. Viele Jahrzehnte war er Vorsitzender der VVN in Heilbronn und betrieb Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit. So erreichte er, dass eine Erinnerungstafel für Gottlob Feidengruber, 1944 von den Nazis bei Paris wegen Zersetzung der Wehrkraft erschossen, an den Mauerresten des Heilbronner Klaraklosters angebracht wird. Regelmäßig organisierte Gedenkfeiern auf dem KZ-Friedhof Kochendorf und am Synagogengedenkstein in Heilbronn am 9. November.
Walter Vielhauer hat einen Kampf geführt, den wir heute weiterführen: Gegen Ausbeutung, Imperialismus und Krieg, für Freiheit und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen. Walter steht für die Menschen, die sich nicht haben brechen lassen, sich bis zuletzt gegen den Faschismus stellten. Er hat nur die Sache und nicht sich selbst – nicht wer er ist und warum er kämpft – in den Vordergrund gestellt. Walter ist ein Beispiel für das gemeinsame Aufstehen gegen rassistische Hetze auf allen Ebenen: Im Betrieb, auf der Straße, in den Parlamenten. Er hat die Losung „nie wieder Krieg“, „nie wieder Faschismus“ mit Leben gefüllt. Walter zu ehren heißt von seinem Leben und seinen Erfahrungen zu lernen.
Im Andenken an Walter hat eine kleine Gruppe eine Broschüre über Walters Leben herausgegeben. Diese Broschüre kann auf Nachfrage über das Landesbüro gekauft werden.