Brodeln an der Heimatfront
10. Juni 2025
„Kriegstüchtigkeit“, Militarisierung und Hochrüstung sind und waren schon immer auch verbunden mit einem gravierenden Abbau Demokratischer Rechte. Spätestens mit Beginn des Krieges in der Ukraine wurde dies wieder offensichtlich.
Achthundert Milliarden, also fast schon ‘ne Billion hat die EU nun für Aufrüstung beschlossen. In Deutschland schießen sich die künftigen Koalitionäre CDU/CSU + SPD auf eine unbegrenzte Aufhebung der „Schuldenbremse“ ausschließlich für sogenannte „Verteidigungszwecke“ ein, und obendrein noch für Sonderschulden von 500 Milliarden für Infrastrukturmaßnahmen, in erster Linie gedacht für kriegstaugliche Autobahnen, Zugverbindungen und Flughäfen. Von irgendwas Sozialem ist weder die Rede, noch etwas von dem Geldsegen zu erwarten.
Dieses Vorhaben der Parteien der „demokratischen Mitte“, die sich allzu gerne als Hüter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung inszenieren, ist jedoch mit dem Grundgesetz nicht zu machen – wissen sie selber. Dieses soll nämlich durch Ausnahmeregelungen für Militärausgaben selbst kriegstüchtig gemacht werden.
Im selben Grundgesetzt steht geschrieben, das deutsche Volk bekenne sich zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit der Welt (Art. 1), Handlung, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, seien verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen (Art. 26). Doch die Kriegsvorbereitungen sind im vollen Gange.
Um diesen offensichtlichen Widerspruch zu verschleiern, bedienen sich Ampel und CDU gerne auch der alten Leiern. Der Vorwand heißt dann: „der Russe kommt!“, oder neuerdings gerne: Die USA unter Trump lassen die Ukraine und damit uns, Europa, im Stich. Jetzt müssen wir selber rüsten.
Doch dabei bleibt es nicht. Mit dem Vorhaben die gesamte Gesellschaft für den Krieg umzubauen, geht auch eine weitreichende Umschreibung von Geschichte und die Umdeutung von Begrifflichkeiten einher, welche – zur Not auch mit Polizeigewalt – durchgesetzt werden soll.
Mit Antikommunismus gegen die Friedensbewegung
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass sich in der Ukraine über längere Zeit nationalistische Hardliner bis hin zu Neofaschisten in der Tradition der OUN-B fest im politischen Spektrum etablieren konnten. Die Feindschaft gegenüber Russland wird antikommunistisch über Gleichsetzung der Sowjetunion und ihrem rechtlichen Nachfolgerstaat ideologisch begründet. Diese geschichtsrevisionistische Auffassung wird vermehrt auch in Deutschland von staatlicher Seite verbreitet, da sie sich als überaus nützlich erweist, wenn es darum geht die politische Linke auch in diesem Land zu brandmarken und antimilitaristischen Protest als fünfte Kolonne Moskaus zu denunzieren.
Ein eindrückliches Beispiel:Seit dem 8. Mai 2022 ist am Tag der Befreiung vom Faschismus an den sowjetischen Ehrenmalen in Berlin das zeigen Flagge der Befreier verboten. In der Praxis wurde das Verbot vielfach auf sämtliche rote Fahnen ausgedehnt. Von Beamten zum Umkehren gezwungen wurden beim Ehrenmal in Treptow etwa auch Vertreter kommunistischer Parteien aus der Türkei und Griechenland mit ihren Parteifahnen. Auch ein Banner mit dem Text »Dank euch, Soldaten der Antihitlerkoalition – Nieder mit der Bundeswehr und ihren Auftraggebern« wurde von der Polizei abgeräumt. Sogar das Mitführen der Zeitung Junge Welt die an diesem Tag das historische Foto dieser Flagge auf dem Brandenburger Tor auf ihrem Titelblatt trug, wurde von der Polizei verhindert.
Aktuell stellen direkte Repressionen gegen die Friedensbewegung noch die Ausnahme dar, die meisten Ostermärsche laufen ungestört, den meisten Redner drohen keine Konsequenzen. Doch dieses allgemeine Statement gilt nicht etwa für die Palästinasolidaritätsbewegung. Für Staat und Politik ist diese derzeit der Spielball, an dem ausprobiert wird, wie weit Demokratieabbau gehen kann. Fadenscheinig-begründete Verbote von Vereinen wie etwa „Palästinasolidarität Duisburg“, die Auflösung von Kongressen durch wahnwitzige Umdeutung der Versammlungsform zur Demo, ja sogar Auftrittsverbote für UN-Diplomaten, all das ist offenbar möglich – ideologisch rechtfertigt durch eine totgefährliche Umdeutung des Antisemitismusbegriffes, die keinen rechten Terror mehr kennt, sondern nur noch judenfeindliche Linke.
Nur die Spitze des Eisberges
Doch all diese Repressionen gegen die Friedensbewegung und ihre Freunde sind nur die Spitze des Eisberges. Die Militarisierung der gesamten Gesellschaft macht vor keinem bestehenden Recht halt. Dies machte der Freistaat Bayern vor. Hier gilt seit dem Juli 2024 ein „Bundeswehrgesetz“, das Schulen und Universitäten zu einer engen Kooperation mit der Bundeswehr zwingt. Die sogenannten Zivilklauseln, die an vielen Hochschulen (allerdings nicht in Bayern) im Rahmen der Freiheit von Forschung und Lehre vereinbart sind und Forschung für militärische Zwecke ablehnen sind in Bayern nun regelrecht verboten. Gleichzeitig werden Schulen und Hochschulen bzw. fortschrittliche LehrerInnen und WissenschaftlerInnen von einer neuen Welle der Berufsverbote heimgesucht.
Spätestens mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht, die nach Merz‘ Verständnis auch für Frauen gelten soll, wird die gravierende Beschneidung der Menschenrechte für jeden erfahrbar. Wer selbige verteidigen will, muss es gegen die Kriegsertüchtigung tun.