Der zweite Weltkrieg auf fünf Kontinenten – Teil 2
10. Juni 2025
Für seinen Beitrag über den zweiten Weltkrieg hat Lothar Letsche viele bis dahin unbekannte Fakten über die Vorgeschichte zusammengetragen, insbesondere über den Krieg zwischen Japan und China. Der in der letzten Ausgabe der Antifa Nachrichten veröffentlichte Artikel umfasste die Ereignisse bis zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom 23.8.1939, der auch ein geheimes Zusatzprotokoll enthielt, in dem „für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung“ der Verlauf der n Ostgrenze Polens geregelt war.
Manche verzeihen der sowjetischen Führung nicht, dass nicht die damalige Ostgrenze Polens – weit in der heutigen Ukraine und Belarus – die Demarkationslinie sein sollte, sondern (ungefähr) eine 1919 von dem britischen Politiker George Curzon ermittelte ethnische Siedlungsgrenze. Dass die Nazi-Wehrmacht so rasch vordrang, dass schon am 17. September 1939 die polnische Regierung das Land verließ, dass die Kriegserklärungen der Westmächte bis 1940 militärisch folgenlos blieben), konnte vorher niemand wissen. Erst an diesem Tag begann die Rote Armee zu der vereinbarten Linie vorzurücken, aus der dann die neue sowjetische Staatsgrenze wurde. Sie entspricht der heutigen Ostgrenze Polens und Litauens, Westgrenze von Belarus/Ukraine.
Churchill fand das damals in Ordnung. Wer es heute kritisiert – wofür es einige Gründe gibt – , muss trotzdem fragen, welche alternativen Handlungsoptionen zu diesem Zeitpunkt für die damalige Führung zur Wahrung der Sicherheitsinteressen des Landes überhaupt bestanden. Das gilt auch für den Finnlandkrieg 1939 und die Vorgänge in den baltischen Staaten. Es ging um Zeitgewinn und größtmöglichen territorialen Abstand vor dem absehbaren Angriff der Nazis. Im Ergebnis wurde schließlich (mit Gebietstausch) die finnische Grenze vor Leningrad zurückverlegt, Bessarabien von Rumänien an die UdSSR zurückgegeben und die baltischen Republiken 1940 in diese eingegliedert.
Die japanische Regierung protestierte gegen den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag. In einem geheimen Zusatzabkommen zu dem am 25. November1936 geschlossenen „Antikominternpakt“ hatten Deutschland und Japan sich verpflichtet, mit der Sowjetunion keine Verträge abzuschließen, die dem „Geist dieses Abkommens“ widersprechen würden. Dieser „Antikominternpakt“, dem 1937 Italien, später auch weitere Staaten beitraten, wird zuweilen als reines Propagandamanöver bewertet. Bedeutsamer war ein parallel dazu abgeschlossenes geheimes deutsch-japanisches Militärabkommen vom 17. Mai1937, das sowohl den Nachrichtenaustausch wie auch eine Zersetzungsplanung gegenüber der Sowjetunion betraf, zu dem ein Fünf-Jahres-Plan die Richtung vorgab. Diese Abkommen wurde tatsächlich zu großen Teilen umgesetzt und mündete in geheime Kriegsvorbereitungen gegenüber der Sowjetunion.
Durch die Verträge mit Deutschland und Japan hatte sich dieses Land 1939/40 vorübergehend eine Atempause verschafft. Hitler zerriss 1941 die Abmachung, die Japaner hielten sie ein. Schukows Sieg an der Grenze von „Mandschukuo“ zwei Jahre zuvor zahlte sich aus. Als 1941 der sowjetische Topagent Richard Sorge – getarnt als Nazijournalist mit dem Vertrauen des deutschen Botschafters – mit seinen Leuten den inner circle der japanischen Führung erreichte und nach Moskau meldete, dass kein Angriff auf die Sowjetunion erfolgen werde, konnten sibirische Truppen mit der Eisenbahn direkt an die Moskauer Front verlegt werden, wo im Dezember 1941 den Nazis erstmals eine schwere Niederlage zugefügt wurde.
Die Sowjetunion verlor in diesem Krieg 27 Millionen Menschen. Nicht wenige von ihnen gehörten zu den Juden, die im Zuge des Holocaust industriemäßig vernichtet wurden. Betroffen – und unter den Kämpferinnen und Kämpfern der Roten Armee und den Partisanen – waren alle Nationalitäten der damaligen Sowjetunion, allen voran natürlich Russen, Bjelorussen, Ukrainer. Freilich werden in der heutigen Ukraine nicht sie als Helden verehrt, sondern die damaligen Nazi-Kollaborateure.
„D-Day“ und danach
Deutsche Streitkräfte operierten in diesem Krieg 1941-43 auch in Afrika. Die französischen Kolonien Algerien, Tunesien, Marokko unterstanden der mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Regierung. Nach einem italienischen Angriff auf Ägypten im September 1940 drangen die damals dort herrschenden Briten im Februar 1941 nach Libyen vor. Die italienischen Streitkräfte waren durch den Überfall auf Griechenland am 28. Oktober 1940 zersplittert. Um eine Niederlage abzuwenden, wurden im Februar 1941 deutsche Truppenverbände nach Tripolis geschickt. Der „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel traf ein, obwohl schwerpunktmäßig bereits der Überfall auf die Sowjetunion vorbereitet wurde. Doch setzten sich im Afrikafeldzug – nach einigen später glorifizierten Schlachten – die Alliierten durch. Im Januar 1943 nahmen sie Libyen ein. Im März/April 1943 waren die Achsenmächte-Streitkräfte eingeschlossen. Eine Rückverschiffung nach Europa erlaubte Hitler nicht. Eine Viertelmillion deutsche und italienische Soldaten kamen in Kriegsgefangenschaft. Von einem „zweiten Stalingrad“ war damals die Rede. Dort war an der Ostfront Anfang Februar 1943 die entscheidende Wende eingetreten. Auch die dort eingesetzte italienische Armee war vernichtet.
Was zunächst ausblieb, war die von der sowjetischen Führung zur Entlastung dringend erbetene zweite Front im Westen Europas. Die Nazis hatten nach ihrem Stalingrad-Desaster auch am 16. Juli 1943 bei Kursk ihre letzte großräumige Angriffsoperation „Zitadelle“ – die größte Landschlacht und eine der größten Luftschlachten der Geschichte – abbrechen und den Rückzug antreten müssen. Die Westalliierten nutzten zunächst ihre erlangte Kontrolle über das Mittelmeer, um am 10. Juli 1943 durch eine Landung auf Sizilien mit der Invasion Italiens zu beginnen. Die herrschenden Kreise Italiens ließen den faschistischen Diktator Mussolini fallen. Er wurde am 25.Juli gestürzt und verhaftet. Mit dem Waffenstillstand zwischen Italien und den Westalliierten am 3. September1943 war die „Achse“ zerbrochen. Neapel befreite sich am 30. September. Die deutschen Nazis übernahmen das Kommando in Mittel- und Norditalien. Mussolini, von einem SS-Kommando entführt, spielte von Saló am Gardasee aus die Rolle eines Regierungschefs unter deutscher Besatzung. Doch nur mit quälender Langsamkeit bewegten sich die angloamerikanischen Verbände in Italien nordwärts, um arbeitsteilig mit der Resistenza das Land zu befreien. In Rom – wo sich auch der damals „neutrale“ Vatikan befindet, in dem ständig Verhandlungen stattfanden – gelang das erst am 5. Juli 1944. (Der Befreiungstag Italiens war dann am 25. April1945.)
Am 6. Juni 1944 hatte die angloamerikanische Invasion der Normandie endlich begonnen, die zweite Front war in Frankreich eröffnet. Das war nicht das einzige, doch das bekannteste militärische Ereignis der Geschichte, für das die Bezeichnung „D-Day“ („Tag X“) verwendet wurde. Es brachte nicht – wie bei Gedenkfeiern manchmal behauptet – die entscheidende Wende auf dem europäischen Kriegsschauplatz, die war in Stalingrad und Kursk erkämpft worden, doch die „Großen Drei“ hatten sich am 1. Dezember 1943 in Teheran darauf verständigt, Nazideutschland gemeinsam militärisch niederzuringen. Für einen Sonderfrieden mit den Westalliierten, wie Teile der deutschen 20.Juli-Militärs ihn anstrebten (um dann womöglich gemeinsam die Rote Armee aufzuhalten), war dadurch kein Raum. Aber auch nicht mehr für eine Befreiung aus eigener Kraft. Deutschland und Berlin kamen unter Verwaltung der vier Besatzungsmächte. Was aus deren ursprünglichen Absichtserklärungen und dem Potsdamer Abkommen vom 1. August 1945 wurde, ist schon Teil der Geschichte unserer VVN- BdA.