Staatliche Repression gegen Antifaschist*innen

geschrieben von Michael Dandl

10. Juni 2025

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Bild: SubstAnz Osnabrück

Antifaschistisches Engagement ist in diesen Zeiten notwendiger denn je. Nazis, AfD und menschenverachtende Hetze sind die größten Bedrohungen für alle, die nicht in das Weltbild der Rechten passen: Migrantisch gelesene Menschen, queere Personen, Linke und viele andere Menschengruppen. Leider bleiben, wie gerade in den letzten Monaten noch unheilvoller erfahren werden musste, menschenverachtende Ideen nicht auf offen faschistische Zirkel und die AfD beschränkt. Andere Parteien greifen Forderungen des parlamentarischen Arms der Naziszene auf oder stimmen bei der Umsetzung „migrationspolitischer“ Anträge oder gar Gesetzesmodifizierungen mit ihm ab; die AfD selbst bekommt viel Zuspruch aus der Bevölkerung und hohe Wahlergebnisse; und die ganze Gesellschaft rückt nach rechts.

Antifaschistisches Engagement kann neben der aktiven Mitgliedschaft in der VVN-BdA viele Formen haben: Indem auf Demonstrationen gegen rechts gegangen wird, indem sich an Blockaden und anderen Protesten gegen AfD-Veranstaltungen beteiligt wird, indem andere antifaschistische Aktionen organisiert und durchgeführt werden. Engagement gegen rechts wird aber oft vom Staat verfolgt: Viele Menschen erfahren deshalb Repression von Polizei und Justiz. Beispielsweise gibt es hunderte Ermittlungsverfahren gegen Antifaschist*innen aus Baden-Württemberg, die an der Demonstration gegen den AfD-Landesparteitag in Offenburg im März 2023 teilgenommen haben. Viele erhielten hohe Geldstrafen, einige sogar Bewährungsstrafen, und die Prozesse laufen immer noch weiter. Und nicht nur dies: Der Inlandsgeheimdienst sucht bis heute mehrheitlich junge Menschen heim, von denen er weiß, dass sie auch in Offenburg gewesen waren; und versucht, sie zu Spitzeldiensten anzuwerben oder Infos aus der „Szene“ aus ihnen herauszubekommen.

Viel bekannter sind jedoch zwei Großverfahren gegen Antifaschist*innen:

Im Antifa-Ost-Verfahren sind dutzende Aktivist*innen angeklagt, weil sie an körperlichen Auseinandersetzungen mit Nazis beteiligt gewesen sein sollen. Lina wurde am 31. Mai 2023 zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt; davon hat sie bereits mehr als zweieinhalb Jahre abgesessen. Am 6.2.2025 fand vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe der Revisionsprozess in ihrem Falle statt; am 19. März wird das Urteil verkündet. Dabei geht es letzten Endes um Strafminderung oder -erhöhung; den Rest der Strafe muss sie dann jedenfalls absitzen. Auch die drei mitangeklagten Antifaschisten erhielten mehrjährige Strafen.

Dem war eine jahrelange Kriminalisierungsoffensive der Repressionsorgane vor allem in Thüringen und Sachsen vorausgegangen. Die Verhaftung von Lina im November 2020 und der spätere Prozess unter Hochsicherheitsbedingungen waren von einer grotesken Medieninszenierung begleitet, um die vermeintliche Gefährlichkeit der Beschuldigten zu betonen. Der Staat setzt auch ohne Regierungsbeteiligung der AfD auf Abschreckung und Einschüchterung.

Im Budapest-Komplex geht es ebenfalls um körperliche Auseinandersetzungen mit Faschisten: Sie fanden im Februar 2023 am Rande der antifaschistischen Proteste gegen das Nazi-Großevent „Tag der Ehre“ in Budapest statt. Das ungarische Regime fahndet seither per Europäischem Haftbefehl nach dutzenden Antifaschis*innen. Ihnen drohen in Ungarn ein offen politischer Prozess ohne rechtsstaatliche Minimalstandards und ein Urteil über jeweils 24 Jahre Haft.

Die deutschen Behörden machen sich zu übertrieben quirligen Helfershelfer*innen des autokratischen Orban-Regimes und verfolgen die beschuldigten deutschen Antifas: Vor eineinhalb Jahren wurde Maja aus Jena verhaftet und im vergangenen Sommer in das offen queerfeindliche Ungarn ausgeliefert, obwohl Maja als nonbinäre antifaschistische Person in den dortigen Gefängnissen in Lebensgefahr schwebt. Nun hat das Bundesverfassungsgericht höchstinstanzlich seine Entscheidung zu Majas Auslieferung bekanntgegeben: Die nächtliche Auslieferung an Ungarn war unter offen rechtswidrigen Umständen unter bewusster Missachtung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt! Das sich zuständig erklärende „Berliner Kammergericht habe den Sachverhalt [die rechtzeitige Einlegung von Rechtsmitteln durch die Verteidigung] nicht ausreichend geprüft und insbesondere die Haftumstände in Ungarn nicht ausreichend berücksichtigt“. An Majas katastrophaler Situation wird das leider wenig ändern. Der Prozess in Budapest startete am 21. Februar.

Im Mai 2023 wurde die Nürnbergerin Hanna verhaftet, im November Johann aus Leipzig. Beiden wird ebenfalls vorgeworfen, an den antifaschistischen Aktionen beteiligt gewesen zu sein. Am 20. Januar 2025 stellten sich sieben dem gleichen Komplex zugeordnete Antifaschist*innen zeitgleich den Behörden, nachdem sie zuvor fast zwei Jahre lang untergetaucht gewesen waren. Den sieben Aktivist*innen, die umgehend in Untersuchungshaft genommen wurden, drohen hohe Haftstrafen und nicht zuletzt eine Auslieferung an Ungarn. Weitere Aktivist:innen sind noch immer untergetaucht, um sich der Festnahme zu entziehen.

Diese und andere Repressalien sollen die Bewegungen gegen rechts zermürben und die absolute Notwendigkeit antifaschistischen Engagements delegitimieren. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur darum, vom Staat als solche definierte „Straftaten“ zu ahnden und den Aktivist:innen ein „selbstjustizielles“ Unterlaufen des sogenannten staatlichen Gewaltmonopols vorzuwerfen; sondern alles, was irgendwie über das harmlose, bürgerlich geprägte Lichterkettenspektrum hinausweist, ist kriminalisierbar; ob es sich nun um die bloße Teilnahme an einer Demonstration handelt oder um das Rufen von Parolen. Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mehrmals betont, dass sich ausschließlich der Staat um Nazis zu kümmern habe; alles andere sei, wenn es über das Halten von Kerzen hinausgehe, entweder terroristisch oder kriminell oder illegal oder gewaltmonopolaushebelnd oder gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet – und müsse deshalb energisch unterbunden, mit härtester Repression überzogen werden.

Die VVN-BdA hält es da eher mit Esther Bejarano: „Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.“ Uns muss es nun darum gehen, der übertriebenen Verfolgungswut des Staates solidarisch entgegenzutreten.