Würdigung für eine Heidelberger Widerstandskämpferin
10. Juni 2025
Kampagne für einen Sophie-Berlinghof-Platz hat Erfolg

Am 20. Februar 2025 hatte eine antifaschistische Bündniskampagne endlich Erfolg: Der Heidelberger Gemeinderat beschloss, den bisherigen Karl-Kollnig-Platz im Stadtteil Handschuhsheim nach der Widerstandskämpferin Sophie Berlinghof umzubenennen. Die Kommunistin war Mitbegründerin der VVN in Heidelberg und jahrzehntelang Sprecherin unserer Kreisvereinigung.
Mit der Umbenennung endet zugleich die Ehrung des Nazis Kollnig, der später als Rektor der Pädagogischen Hochschule für dutzende Berufsverbote verantwortlich war.
Eine Heidelberger Antifaschistin
Dem Gemeinderatsbeschluss war eine mehrmonatige Kampagne vorausgegangen, die zwischenzeitlich auch Rückschläge hinnehmen musste. Vor allem wollten wir durch vielfältige Öffentlichkeitsarbeit Sophie Berlinghof geb. Kuhn wieder bekannt machen, an die sich jüngere Menschen nicht mehr erinnern.
Die Antifaschistin wurde 1910 als fünftes Kind der kommunistischen Arbeiterfamilie Kuhn geboren. Trotz finanzieller Schwierigkeiten ermöglichten die Eltern der begabten Tochter das Abitur und das Studium der Zahnmedizin. Schon als Jugendliche schloss sich Sophie Kuhn kommunistischen Gruppen an und leitete Anfang der 1930er-Jahre die Pioniergruppe Handschuhsheim. Als Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands und der Roten Studentengruppe engagierte sie sich offen gegen die braunen Umtriebe an der Universität.
Nach der Machtübergabe an die Nazis wurde Sophie Kuhn im Frühsommer 1933 öffentlich denunziert und von der Hochschule verwiesen, und im August nahmen die Nazis sie für mehrere Wochen in „Schutzhaft“. Trotz anhaltender Repressalien organisierte sie sich in einem parteienübergreifenden antifaschistischen Netzwerk. 1935 heiratete die Widerstandskämpferin ihren Genossen Hans Berlinghof.
Nach der Befreiung 1945 war Sophie Berlinghof an der Neugründung der KPD in Heidelberg beteiligt, für die sie ab 1947 im Heidelberger Gemeinderat saß. Unter anderem wirkte sie im Wohnungs-, Sozial- sowie im Wohlfahrtsausschuss, bis das KPD-Verbot 1956 ihre lokalpolitische Arbeit jäh beendete – gefolgt von neuen Repressionsmaßnahmen. Später schloss sie sich der DKP an.
Ein Hauptbetätigungsfeld der Antifaschistin war und blieb die Heidelberger VVN: Ab 1948 war sie im Vorstand und später Sprecherin der Kreisvereinigung. Das tatkräftige Eintreten gegen alte und neue Nazis und gegen Aufrüstung und Kriegsgefahr gehörte ebenso zu ihren Schwerpunkten wie ihre antifaschistische Bildungsarbeit und das Gedenken an die von den Nazis Verfolgten. Sophie Berlinghof war maßgeblich an der Errichtung der Gedenkstätte für die ermordeten Widerstandskämpfer*innen auf dem Bergfriedhof beteiligt, an der die VVN-BdA und der DGB noch immer jedes Jahr am 1. November Gedenkveranstaltungen organisieren. Die von ihr ins Leben gerufenen antifaschistischen Stadtrundgänge finden bis heute statt, und auch in anderen Bereichen wirkt Sophie Berlinghofs antifaschistisches Erbe fort.
Neben ihrer politischen Aktivität blieb sie in ihrem Wohnort Handschuhsheim, wo sie nach dem Tod ihres Mannes gemeinsam mit ihrer Schwester ein Obstgeschäft eröffnete, eine wichtige Ansprechperson. Zeit ihres Lebens war Sophie Berlinghof für ihr soziales Engagement und ihre Hilfsbereitschaft bekannt und wurde bis zu ihrem Tod 2002 in der Stadt hoch geschätzt.
Hitzige Debatte um Umbenennung
Bereits seit Jahren wurde in Heidelberg über die Umbenennung mehrerer Straßen und Plätze diskutiert, die bisher die Namen von Nazis trugen. Parallel nahm die Stadt Vorschläge für neue Namensgeber*innen an. Was lag näher, als statt eines Faschisten endlich eine Antifaschistin zu ehren? Ohnehin wurden Frauen aus dem antifaschistischen Widerstand bisher kaum bei Heidelberger Straßennamen berücksichtigt. Die Aktivistin der Vorbote-Gruppe Käthe Seitz wird zwar gemeinsam mit ihrem Mann Alfred gewürdigt, aber der allgemein gehaltene Name Seitz-Straße erschließt sich Außenstehenden nicht.
All diese Aspekte flossen in den ersten Antrag mit ein, der im Herbst 2024 von uns angeregt und von der SPD im Bezirksbeirat eingebracht wurde. Die Gemeinderatsfraktion Die Linke/Bunte Linke unterstützte den Antrag sehr engagiert, und auch die Kreisvorstände der gew und des DGB sowie weitere Gruppierungen setzten sich dafür ein. In vielen Leserbriefen in der lokalen Rhein-Neckar-Zeitung kam breiter Rückhalt aus der Bevölkerung zum Ausdruck, und von Angehörigen von Sophie Berlinghof, besonders von ihrem Großneffen, bekamen wir große Unterstützung.
Allerdings hatte der Antrag auch bald mit Gegenwind sowohl aus der Stadtverwaltung als auch von rechten Kreisen in Gemeinderat und Gesellschaft zu kämpfen. Mal wurde der Antrag vor Gremiensitzungen „vergessen“ und schaffte es erst nach ausdrücklichen Erinnerungen durch aufmerksame Aktivist*innen auf die Tagesordnung. Mal wurde ganz offen gegen Sophie Berlinghof Stimmung gemacht, indem tief in die Mottenkiste antikommunistischer Vorurteile gegriffen und die Antifaschistin verunglimpft und verleumdet wurde.
Dem begegneten wir mit wochenlanger Öffentlichkeitsarbeit: Im Januar 2025 luden die VVN-BdA und die Stolperstein-Initiative zu einem gut besuchten Vortrag in der Volkshochschule ein, der ausführlich über Sophie Berlinghofs Leben und Wirken informierte und die laufende Debatte zusammenfasste. Es folgte intensive Pressearbeit, und kurz vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung fanden zwei Stadtrundgänge „Auf den Spuren von Sophie Berlinghof“ sowie eine Kundgebung vor dem Rathaus statt.
Nachdem der Haupt- und Finanzausschuss Anfang Februar den Antrag mit knapper Mehrheit abgelehnt hatte, wurde die endgültige Gemeinderatsentscheidung am 20. Februar 2025 mit höchster Anspannung erwartet. Die Diskussion verlief entsprechend hitzig und war von unsäglichen Ausfällen der AfD geprägt, aber auch von Unwahrheiten seitens der CDU und anderer Fraktionen. Für besondere Empörung sorgte der AfD-Gemeinderat Albert Maul, der die geplanten Umbenennungen als „Bildersturm“ und „Auslöschung der Geschichte“ bezeichnete und die NS-Mitläufer*innen mit den Teilnehmer*innen der Großdemonstration gegen Rechts am Wochenende zuvor gleichsetzte. Gemeinsam mit der CDU stimmte die AfD folglich gegen den Antrag, doch die turbulente Debatte endete mit einem klaren Ergebnis: 27 Mitglieder votierten für den Sophie-Berlinghof-Platz – bei zehn Gegenstimmen und neun Enthaltungen. In derselben Sitzung wurde auch einer Umbenennung nach einem sozialdemokratischen Widerstandskämpfer zugestimmt, sodass es in Kürze eine Emil-Henk-Straße in der Weststadt gibt.
Es ist ein Grund zu feiern, dass die rechte Hetze keinen Erfolg hatte und die Widerstandskämpferin nun endlich gewürdigt wird. Mit den beiden Umbenennungen in Sophie-Berlinghof-Platz und in Emil-Henk-Straße werden gerade in Zeiten des Rechtsrucks wichtige Zeichen gegen braune Hetze und Faschismus gesetzt.