Alte Nazis und NS-Tradition: Beispiel Bundeswehr
11. Februar 2025
Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Redebeitrag der VVN-BdA Tübingen bei einer Kundgebung am 2. Februar 2024 anlässlich der Gerichtsverhandlung gegen einen ehemaligen Kommandeur des KSK wegen Strafvereitelung im Zusammenhang mit verschwundener Munition aus Bundeswehrbeständen, exemplarisch für den Umgang mit rechten Strukturen innerhalb des Militärs. Die Gerichtsverhandlung endete mit Freispruch.
Die Aufdeckung der Netzwerke von Neonazis in der Bundeswehr und im Zusammenhang mit Reichsbürgern hat viele Menschen geschockt. Mit dem Blick auf die Geschichte ist dies allerdings nicht sehr überraschend, denn faschistische Ideologie und Tradition hatten nach 1945 Kontinuität und prägten auch die Bundeswehr, bis heute. Sie wurde von ehemaligen Nazi-Generälen geplant, aufgebaut und in den ersten Jahrzehnten auch geleitet.
Sofort nach Kriegsende begannen führende Generäle der Hitlerwehrmacht, Pläne für die Remilitarisierung in Westdeutschland auszuarbeiten. NS-Zielsetzung und Strategie wurden übernommen und blieben somit unverändert gegen die Sowjetunion gerichtet. Rund 300 ehemalige Generäle und Chefs von Hitlers Generalstab werteten bis 1947 im Auftrag der USA ihre Kriegserfahrungen aus und nutzten dies für eigene Pläne zum Aufbau einer westdeutschen Armee.
Nach der Gründung der BRD wurden sie zu offiziellen Beratern der Regierung. Das sogenannte „Amt Blank“ wurde 1950 als getarntes Kriegsministerium geschaffen. Experten des faschistischen Generalstabs besetzten die Schlüsselrollen. Die Wehrmachtsgeneräle Speidel und Heusinger wurden zu Adenauers Generalstäblern. Mit der Aufnahme Westdeutschlands in die NATO 1955 wurde der Aufbau der Bundeswehr möglich und nach den Plänen der Hitlergeneräle dann auch umgesetzt. Sie nahmen entscheidenden Einfluss auf die Zielsetzung und strategischen Planungen der NATO, so etwa die aggressive „Vorwärtsstrategie“, die den unmittelbaren Aufmarsch von NATO- und Bundeswehrtruppen direkt an den Staatsgrenzen zur DDR und CSSR vorsah, die Vorbereitung des „verdeckten Krieges“ und einen Atomminengürtel an den Ost-Grenzen.
Mit Hitlers ehemaligen Generälen standen Kriegsverbrecher an der Spitze der Bundeswehr. Der Generalstab hatte die Strategie des Blitzkriegs ausgearbeitet. Sie planten und organisierten Kriegsverbrechen, Völkermord und den Massenmord an hunderttausenden Kriegsgefangenen. In engem Zusammenwirken mit der SS waren sie mit verantwortlich für millionenfache Morde an Zivilisten in ganz Europa.
Beispielhaft seien hier genannt:
Heinz Trettner – Hochdekorierter Nazi-Kriegsverbrecher. Als Staffelkapitän der Luftwaffe war er verantwortlich für das Bombardement auf Guernica und befahl den barbarischen Bombenangriff auf Rotterdam während einer Waffenruhe. Seine Fallschirmjägerdivision hinterließ in Italien eine tote Zone zerstörter Dörfer und Städte, verheerende Zerstörungen in Florenz.
Trotzdem wurde er zum Generalinspekteur und Chef des Führungsstabes der Bundeswehr ernannt. Nach seinem Ruhestand 1966 trat er immer wieder mit Publikationen in rechten und völkischen Medien in Erscheinung, so noch 2005 in einem Aufruf des neurechten Instituts für Staatspolitik. Anlässlich der Wehrmachtsausstellung meldete er sich mit geschichtsrevisionistischen Aussagen zu Wort: „Es dürfte heute erwiesen sein, dass der Krieg gegen die Sowjetunion – anders als die Umerziehungspropaganda behauptet – in erster Linie ein nur schweren Herzens begonnener, aufgezwungener Präventivkrieg war.“
Hans Speidel – Er war Leiter der Abteilung Fremde Heere West, verantwortlich für Vorbereitung und Durchführung des Überfalls auf Frankreich, Chef des Generalstabs beim Militärbefehlshaber in Frankreich und mitschuldig an barbarischen „Sühnemaßnahmen“ gegen die französische Zivilbevölkerung, an Deportationen von Tausenden Partisan*innen, Juden und Jüdinnen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion war er dort Hauptplaner und Vollstrecker der „Taktik verbrannte Erde“.
In der Bundesrepublikwurde erLeiter der „Abteilung Streitkräfte“ des Verteidigungsministeriums. Anschließend und bis 1964 Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa-Mitte. Nach seiner Pensionierung arbeitete er als Sonderberater der Bundesregierung in NATO-Fragen.
Adolf Heusinger – Er war Chef der Operationsabteilung des Generalstabes des Oberkommandos des Heeres und stellvertretender Chef des Generalstabes des Heeres. Unter seiner Leitung wurden die Überfallspläne auf die Länder Europas ausgearbeitet und die Angriffsoperationen in vielen „Geheimen Kommandosachen“ bis ins Einzelne festgelegt. Er leitete Wehrmachtseinsätze gegen Zivilisten und „Vergeltungsmaßnahmen“ bei der Anwendung der „Taktik der verbrannten Erde“. 1944 verfasste er die „Denkschrift für den Endsieg“ und empfahl Hitler die Aufstellung des Volkssturms.
1952 wurde er Chef der Militärabteilung im Amt Blank, ab 1957 Erster Generalinspekteur der Bundeswehr und bis 1964 Vorsitzender des Ständigen Ausschusses der NATO in Washington (also wieder Generalstabschef).
Nach seiner Pensionierung ging er als militärischer Berater zur CDU/CSU.
Noch 1965 waren von allen 189 Generälen und Admiralen der Bundeswehr mehr als die Hälfte ehemalige Generalstabsoffiziere der Hitlerwehrmacht, auch alle übrigen waren zuvor Offiziere der faschistischen Wehrmacht gewesen.
Sie prägten die Ausbildung und politische Einstellung der nachfolgenden Generationen in der Bundeswehr. Rechte Netzwerke in der Bundeswehr haben also eine lange Geschichte und ununterbrochene Tradition.
Nachtrag
Im Sommer 2024 wollte die Bundeswehr in ihren Traditionserlass, den Richtlinien zur Traditionspflege in der Bundeswehr, ehemalige Wehrmachtoffiziere wie z.B. das NSDAP und SS-Mitglied Erich Topp aufnehmen. Trotz ihrer NS-Vergangenheit sollten sie als Vorbild für soldatische Tugenden gewürdigt werden. Angesichts heftiger Proteste in der Öffentlichkeit wurden diese Pläne (zunächst?) zurückgezogen.