Die neue alte NPD in Nordbaden

geschrieben von Pius Burkhardt

11. Februar 2025

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…oder: „business as usual“ bei den Nazis

Die Zeiten, als die nordbadischen Nazi-Strukturen um NPD und freie „Kameradschaften“ zwischen 50 und 200 Personen zu Kundgebungen oder Aufmärschen mobilisieren konnten, sind vorbei. Vor 10 Jahren war ihnen das letztmals gelungen. Die Jahre danach waren geprägt von Spaltungen, Richtungsstreitigkeiten, Mitgliederschwund und szene-internen Rivalitäten. Zudem beförderte der schnelle Aufstieg der AfD zum parlamentarischen Arm der extremen Rechten den Niedergang der aktivistischen Zirkel in Nordbaden und vor allem den Abstieg der NPD.

„Die Heimat“ … oder was?

Nachdem sich die NPD auf einem Bundesparteitag am 3. Juni 2023 in Riesa (Sachsen) in „Die Heimat“ umbenannt hatte, fanden sich zahlreiche Unzufriedene, die den Weg der Partei unter der Führung von Frank Franz ebenso wie die Umbenennung nicht mitgehen wollten. Noch am Abend des 3. Juni gründeten die TraditionalistInnen, die am Namen NPD festhalten wollten, unter Federführung des Hamburger Kaders Lennart Schwarzbach die NPD neu. Sie versäumten es dabei jedoch, einen Bundesvorstand zu wählen. Zum Parteivorsitzenden wurde dennoch Schwarzbach auserkoren.

Auf einem weiteren Bundesparteitag am 26. November 2023 in Niedersachsen wurde die Vorstandswahl nachgeholt. Lennart Schwarzbach wurde einstimmig zum Vorsitzenden gewählt. Als seine Stellvertreter fungieren Wolfgang Schimmel und Ingo Stawitz. Den erweiterten Vorstand komplettieren Tim Belz, Otfried Best und Uwe Meenen. Vor Ort waren auch die langjährigen Aktivisten Christian Worch („Die Rechte“) und Meinolf Schönborn (ehem. „Nationalistische Front“). Der Nazi Thomas „Steiner“ Wulff aus Hamburg hatte ein Grußwort gesandt, das auf dem Parteitag verlesen wurde.

Bereits beim „Trauermarsch“ für den Holocaust-Leugner und ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Günter Deckert am 16. April 2022 in Weinheim hatten sich personelle Verflechtungen deutlich abgezeichnet, die heute offen in der NPD und deren Umfeld zutage treten. Mit dem jetzigen NPD-Bundesvorsitzenden Schwarzbach waren auch die oben erwähnten Worch und Wulff aus dem Norden Deutschlands angereist. Arthur Sitarz (s.u.) hatte die Demonstration angemeldet, und NPD-Traditionalist Jan Jaeschke hielt einen Redebeitrag. Die Zahl der teilnehmenden FunktionärInnen der NPD hielt sich in Grenzen. Es waren überwiegend jene AktivistInnen zugegen, die sich bereits zu dieser Zeit gegen eine Umbenennung der Partei in „Die Heimat“ positioniert hatten.

Neugründung der NPD Rhein-Neckar

Im Dezember 2023 fand die Jahreshauptversammlung des NPD-Kreisverbands Rhein-Neckar statt. „Der Einladung folgten trotz großem Mitgliederverlustes nach dem Umbenennungsbeschluss des Bundesparteitages noch 12 Mitglieder und Unterstützer.“ (Fehler im Original)

Der Laudenbacher Arthur Sitarz wurde einstimmig zum Kreisvorsitzenden gewählt. Der frühere Kreisvorsitzende Jan Jaeschke fungiert als sein Stellvertreter. In deutlicher Abgrenzung zur Partei „Die Heimat“ entschieden sich die Rhein-Neckar-Nazis „weiterhin unter dem Namen NPD den politischen Kampf zu bestreiten“.

In der Zwischenzeit beteiligte sich die nordbadische NPD, wie auch in den vergangenen Jahren, an Aktivitäten in Rheinhessen, die dort maßgeblich von Strukturen um die Partei „Die Rechte“ bzw. deren Funktionär Florian Grabowski organisiert worden waren.

Seit 9. Januar 2024 wird die NPD wieder auf der Liste des Bundeswahlleiters über die politischen Parteien auf Position 87 geführt.

Neugründung der NPD Baden-Württemberg

Am 3. März wurde der NPD-Landesverband Baden-Württemberg auf einem Landesparteitag bei Bruchsal neu gegründet. Eingeladen hatte der NPD-Bundesvorsitzende Lennart Schwarzbach. Einstimmig wurde Jan Jaeschke zum Landesvorsitzenden gewählt. Den Vorstand komplettieren u.a. Tim Belz, Jan Zimmermann, Florian Vogel sowie der ehemalige hessische NPD-Landesvorsitzende Jean-Christoph Fiedler.

Ein Mitte Mai gegründeter NPD-Kreisverband Karlsruhe führte am 21. Juni 2024 in Anwesenheit des Landesvorsitzenden Jan Jaeschke seine erste Vorstandssitzung durch.

Wahlantritt mit Nazi-Schläger

Unter dem Label „Deutsche Liste“ traten NPD-nahe Aktivisten in Sinsheim zur Gemeinderatswahl am 9. Juni 2024 an. Den Namen „Deutsche Liste“ hatte bereits der verstorbene Nazi Günter Deckert für Kommunalwahlkämpfe im Rhein-Neckar-Kreis benutzt.

Als „Spitzenkandidat“ zur Kommunalwahl in Sinsheim präsentierte Jan Jaeschke Ende März den einschlägig bekannten Faschisten Johannes Bachmann aus dem Stadtteil Hilsbach. Dieser war einer der Köpfe der „Freien Nationalisten Kraichgau“, zeitweise Mitglied in der NPD und später der Kleinstpartei „Die Rechte“. Im September 2018 hatten Nazis in Wiesloch Besucher*innen eines Eiscafés aus rassistischen Motiven attackiert. Die rechte Meute hatte zuvor den Junggesellenabschied Bachmanns in der Wieslocher Altstadt gefeiert.

Bei den Wahlen erhielt die „Deutsche Liste“ lediglich 0,33 Prozent der abgegebenen Stimmen. Damit blieb ihr der Einzug in den Gemeinderat verwehrt. Im Stadtteil Hilsbach zog Bachmann jedoch in den Ortschaftsrat.

Offene Rivalität

Das Zerwürfnis zwischen NPD und „Die Heimat“ trat Ende Juli 2024 offen zutage, als der NPD-Landesvorsitzende Jaeschke in einem Social-Media-Beitrag der Partei „Die Heimat“ den Willen zum „gemeinsamen Kampf“ abspricht. Die Partei hätte „sich endgültig aus den Reihen des nationalen Deutschland verabschiedet“. Er wirft ihr unter anderem „Stasi-Methoden“ vor. Sie würde sich „schlimmer als die Antifa“ verhalten und auf der Seite „von antideutschen Verbrechern“ stehen. Hintergrund der Tirade Jaeschkes war die Übernahme der Facebook-Seiten „NPD Baden-Württemberg“ und „NPD Konstanz“ durch „Die Heimat“, welche „böswillig und verbrecherisch“ vonstattengegangen sei.

Erste öffentliche Aktion der regionalen NPD

Am 7. September 2024 führte die NPD Rhein-Neckar erstmals wieder eine eigene Kundgebung durch. Unter dem Motto „Es gibt nur zwei Geschlechter“ protestierten in Ketsch acht Nazis gegen die dortige Dorfpride. An der Dorfpride selbst nahmen über 1000 Menschen, darunter auch viele organisierte Antifaschist*innen teil.

Fazit

Sowohl die Aufstellung der Parteifunktionäre als auch die Schwäche bei der Mobilisierung zu Kundgebungen zeigen deutlich die gegenwärtigen Defizite der NPD-Strukturen.

Die Zahlen der Teilnehmenden an Mitgliederversammlungen bleiben teils einstellig oder deutlich unter 20. Und die Bereitschaft, in der NPD verantwortliche Funktionen zu übernehmen, ist offensichtlich nicht besonders hoch. Schwächend hinzu kommt das deutliche Konkurrenzverhalten zwischen NPD und „Die Heimat“.

Die Aktivitäten der NPD in Nordbaden beschränken sich seit deren Neugründung auf die üblichen, altbekannten Formate, wie z.B. Kundgebungen, Sonnwendfeier oder Hinterzimmertreffen.

Angesichts der offenen Rivalität zwischen NPD und „Die Heimat“ bleibt abzuwarten, wie sich das Personenpotenzial beider Parteien entwickelt. Regional spielt „Die Heimat“ zurzeit jedenfalls keine Rolle.

AntifaschistInnen werden die NPD und ihre FunktionsträgerInnen auch künftig im Blick behalten müssen, egal wie bedeutungs- und wirkungslos diese Partei zurzeit ist.