Antifa Nachrichten April 2013

4. Mai 2013

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Dieter Lachenmayer 80 Jahre Generalstreik in Mössingen:

„Es war richtig zu streiken und heute muss man wieder wachsam sein“                         S.  3

1200 demonstrierten zur Erinnerung an den Generalstreik durch Mössingen:

„Es war richtig zu streiken und heute muß man wieder wachsam sein!“

Die KPD hatte am 31. Januar 1933 zum Generalstreik aufgerufen. SPD und ADGB verzichteten darauf. Es gab reichsweit viele Kundgebungen und Aktionen gegen die Machtübergabe an die Nazis. Aber nur an einem einzigen Ort gelang die Aktionseinheit der Arbeiterbewegung und der gemeinsame Generalstreik: Im kleinen Mössingen am Fuß der schwäbischen Alb. Zum 80. Jahrestag dieses Ereignisses riefen die VVN-BdA DGB, ver.di und IG Metall der Region Tübingen unterstützt von vielen anderen Organisationen der Arbeiterbewegung und antifaschistischen Initiativen erneut zur Demonstration nach Mössingen. Nicht nur, um an die mutige Aktion der Mössinger Arbeiterinnen und Arbeiter zu erinnern, sondern um auch für heute die Notwendigkeit des Widerstands gegen Faschismus und Krieg zu unterstreichen, der zunehmenden Behinderung und Kriminalisierung von Antinaziaktionen entgegenzutreten und das Recht auf politischen Streik zu reklamieren, der auch heute noch in Deutschland als illegal gilt. Es wurde die größte Demonstration in Mössingens Geschichte seit 30 Jahren und die zweitgrößte überhaupt. Am 31. Januar 1933 waren 800 Männer und Frauen dem Aufruf  gefolgt, auf die Übertragung der Macht im Staate an Hitler mit einen Generalstreik zu reagieren. Und am 50. Jahrestag des Mössinger Generalstreiks, hatten in Mössingen als Auftakt des Widerstandsjahres gegen Atomraketen 1983 15.000 Menschen gegen Faschismus und Krieg demonstriert. So viele waren es am 2. Februar 2013 zwar nicht; aber an Entschlossenheit fehlte es den ca. 1200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der diesjährigen Gedenkdemonstration nicht, neofa­schi­stischen Tendenzen, Rassismus, den Machenschaften des so genannten Verfassungsschutzes, Einschränkungen des Versammlungsrechts und des Grundrechts auf Asyl sowie Kriegseinsätzen der Bundeswehr entgegenzutreten. Durch ihr zahlreiches Kommen würdigten die Demonstrantinnen und Demonstranten die mutige Widerstandstat der Generalstreikler und zeigten, dass deren Anliegen – leider! – immer noch aktuell sind. Die Demonstration folgte der Route der Demonstration des Generalstreiks von 1933 – allerdings in umgekehrter Richtung. Sie begann am Jakob-Stotz-Platz, benannt nach einem der Organisatoren des Generalstreiks, ungefähr zu der Stunde, als die Generalstreikler 1933 die nahegelegene Firma Merz erreichten und auch dort durchsetzten, dass die Arbeit eingestellt wird. Für die Veranstalter forderte Jens Rüggeberg von der VVN-BdA Tübingen-Mössingen zweierlei von der Stadt Mössingen: Einerseits, die Otto-Merz-Straße (der Fabrikant hatte am 31.1.1933 die Polizei gerufen und einen Tag später den Generalstreikteilnehmern fristlos gekündigt) nach dem Generalstreikteilnehmer Jakob Textor zu benennen, und andererseits, dass im Mössinger Amtsblatt keine Anzeigen mehr veröffentlicht werden, in denen die Generalstreikteilnehmer diffamiert werden. Tübingens Altstadtrat Gerhard Bialas, der die meisten Generalstreikteilnehmer noch persönlich gekannt hatte, würdigte deren mutige Widerstandstat. Er erinnerte daran, wer verantwortlich war für die faschistische Diktatur: „Die Mössinger Streikenden wussten, dass Banken-, Groß- und Rüstungskapital die Nazis für ihre Zwecke in den Sattel gehoben haben. Und heute ist es Zeit, dass endlich der Kreislauf Kapitalismus-Krise-Krieg durchbrochen wird!“ Der bunte Demonstrationszug wurde dann von der Schallmeienkapelle Schwäbisch Hall angeführt, deren historische Instrumente während der Zeit des Faschismus versteckt und vor dem Zugriff der Nazis geschützt worden waren. Er zog vorbei an den Geländen der damaligen Fabriken Merz und Pausa und langte schließlich an der Langgass-Turnhalle der damaligen Mössinger Arbeitersportler an, von wo 1933 der Demonstrationszug seinen Ausgang genommen hatte. Dort eröffnete Andrea Ayen, deren Vater, Großvater und Onkel am Generalstreik teilgenommen hatten, die Abschlusskundgebung. Der heutige Tag, der Mössinger Veranstaltungsreigen und nunmehr die große und beeindruckende Demonstration für die Nachfahren der Generalstreikteilnehmer sei “wie eine Art Wiedergutmachung”, nachdem der Generalstreik in Mössingen über Jahrzehnte totgeschwiegen oder diffamiert worden sei. Der DGB-Landesvorsitzende Nico Landgraf forderte mit Nachdruck und unter starkem Beifall aller Anwesenden ein rasches Verbot der NPD. Er stellte einen Zusammenhang her zwischen der mutigen tat der Mössinger Arbeiter damals und dem Widerstandsrecht des Grundgesetzes heute. Auch der Arbeitsrechtler Professor Wolfgang Däubler schlug die Brücke zu Streik und notwendigen Kämpfen heute: Es bringe nichts, das Recht auf politischen Streik von den Juristen zu verlangen. Es komme darauf an, es wahrzunehmen, wenn das geboten sei. Drei junge Mössinger AntifaschistInnen zeigten den Zusammenhang zwischen Faschismus und Kapitalismus auf und riefen dazu auf, den Widerstand gegen Neofaschismus und Krieg gemeinsam zu leisten und sich nicht z.B. durch die „Extremismusdok­trin“ spalten zu lassen. Zum Höhepunkt der gemeinsame Aktion wurde die Rede Andrea Ayens, die die Worte wiederholte, die ihr Onkel Eugen Ayen Jahre nach dem Generalstreik, schon in hohem Alter in seinem schwäbischen Dialekt gesprochen hatte: „Doch, das war richtig zu streiken, und heut‘, sag‘ ich, heut‘ muss man wieder wachsam sein, dass sowas nicht wiederkommt, … Nein, wenn Faschismus, wenn’s das heißt, da bin ich dabei, nochmal dabei zu demonstrieren, aktiv, in vorderster Reih‘, ja …“ Fackeln aus in Pforzheim: Viele standen den Nazis im Wege                          S.  5 Janka Kluge Nazis in Mannheim gestoppt: So geht’s doch auch                        S.  7 Solidarwerkstatt Österreich Patriotraketen gegen Syrien: Lügen und Leichen pflastern den Weg zum Bundeswehreinsatz           S.  9

Werner Ruf, Peter Strutynski Neuer Kriegseinsatz in Mali: Kampf gegen Terroristen oder für koloniale Interessen?                         S. 10

Jürgen Weber Neuer Skandal im Fall Sant‘ Anna: Opfer müssen Draußen bleiben                                                                           S. 11

Neues vom Verfassungschutz: Die erschröcklichen Taten des Gerd Bialas                                                   S. 12

Michael Csaszkóczy „Deutsche Burschenschaft“: Doch im Innern des Landes leben sie noch …                                             S. 13

Das Jahr 1933 Janka Kluge Machtetablierung und Widerstand – das Jahr 1933 in Stuttgart: Vom Kabelattentat zum Heuberg                                                                    S. 15 Jörg Rebhan Vor 80 Jahren Bücherverbrennungen in Deutschland „Das war ein Vorspiel nur…“                                                                             S. 18 Arzt, Kommunist und verbrannter Dichter: Friedrich Wolf                                                                                                         S. 21 Aus den Kreisen                                                                                                      S. 22 Literatur / Wir gratulieren                                                                               S. 23

Titelbild: Demo in Mössingen, Foto: Esther Broß