9.11. Stuttgart-Cannstatt: Gedenkenveranstaltung zur Pogromnacht

2. November 2015

Flyer: 2015 Gedenken Pogromnacht Einladung

Gedenkenveranstaltung zur Pogromnacht

Montag, 9. November 2015 16.30 Uhr
am Platz der Cannstatter Synagoge, König-Karl-Str. 45/47

70 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus Gedenken an die Opfer

Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland Synagogen, angezündet nicht von
einem wütenden Mob, sondern wie in Stuttgart von der Feuerwehr, organisiert, vorbereitet
und angestiftet von Partei, Regierung und Behörden des faschistischen Staates. Am nächsten Tag wurden jüdische Geschäfte geplündert, zehntausende jüdische Menschen
gejagt, in KZs verschleppt und über 100 ermordet.

Die Pogromnacht in Cannstatt

Auch die Synagoge in Cannstatt wurde in dieser Nacht angezündet. Die Geschwister Josef
und Jette Buxbaum, die in Cannstatt eine Metzgerei betrieben, gehörten zu den Opfern
des faschistischen Pogroms. Eine Frau berichtet:
„Ich war zufällig Augenzeuge, als Anhänger der SA in Uniform mit Spitzhacken die Fenster
des Metzgerladens zertrümmerten am 8./9. November 38. Es war grausam!
Danach waren beide Buxbaums verschollen.“
Sie trauten sich nicht mehr auf die Straße, wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert
und später im Vernichtungslager Treblinka umgebracht.

Die Gewalt erreichte einen neuen Höhepunkt

Das Pogrom war Teil der Vorbereitung und der Einstimmung der Bevölkerung auf den Eroberungs und Vernichtungskrieg, in dessen Verlauf auch die planmäßige Ermordung der
jüdischen Bevölkerung Europas erfolgte.
Auf den November 38 folgte die Zerschlagung der Tschechoslowakei im März 39 und der
Überfall auf Polen am 1. September. Am Ende des gigantischen Raub und Eroberungsfeldzuges standen Auschwitz und 60 Millionen Tote.

Rassismus damals …

Der deutsche Faschismus der 30er und 40er Jahre fiel nicht vom Himmel. Auf Betreiben
entscheidender Teile der Großindustrie, der Banken und der Generalität ernannte am 30.
Januar 1933 Reichspräsident Hindenburg Hitler zum Reichskanzler. Die Faschisten versprachen die Wiederherstellung der militärischen Schlagfähigkeit und die Eroberung von Rohstoffquellen und Märkten. Als Voraussetzung hierfür sicherten sie die Zerschlagung der Arbeiterbewegung zu. Damals wie heute fallen Rassismus und Antisemitismus dort auf fruchtbaren Boden, wo die soziale Not groß ist und Existenzängste bestehen. Dies nutzten die Faschisten aus, um von den wirklichen Verursachern der Wirtschaftskrise abzulenken und um die Mehrheit der Bevölkerung hinter den Wirtschaftsinteressen der Herrschenden zu versammeln.
Darüber hinaus hatte die Shoah eine wirtschaftliche Komponente. Mit dem Raub jüdischen
Vermögens konnte der Staat einen Teil seines Rüstungsprogramms finanzieren und sogenannte „arische“ Kapitalbesitzer rissen sich jüdische Besitztümer unter den Nagel. Unter dem Stichwort „Vernichtung durch Arbeit“ wurden Millionen JüdInnen und viele andere Häftlinge zu ZwangsarbeiterInnen vor allem der Rüstungsindustrie und mussten am Ende mit ihrem Leben dafür bezahlen. So manche heute noch existierende Unternehmen haben in dieser Zeit ihren Reichtum angehäuft.
Millionen von Menschen versuchten, dem Terror des Faschismus zu entkommen, waren
auf Asyl angewiesen und verdanken ihr Leben den Aufnahmeländern.

… und Rassismus heute -Die Ursachen müssen beseitigt werden!

Aktuell befinden sich mit 60 Millionen weltweit so viele Menschen wie noch nie seit dem
Ende des 2. Weltkrieges auf der Flucht. Sie fliehen vor Terror, vor rassistischer Verfolgung,
Krieg sowie vor wirtschaftlicher Not. Fluchtgründe sind vielfach von den Staaten des Westens verursacht, darunter die Kriege, die auch mit deutschen Waffen und unter Beteiligung der NATO-Staaten geführt werden, um z.B. den Zugriff auf Rohstoffe oder Handelswege zu sichern. Oder auch EUAgrarsubventionen, mit denen die Landwirtschaft in Afrika niederkonkurriert wurde. Die betroffenen Menschen fliehen, um zu überleben, um für sich und ihre Familien eine Perspektive zu bekommen. Doch Europa schottet sich mit Zäunen und der „Grenzschutzagentur“ Frontex ab, alleine 2500 Menschen sind bereits dieses Jahr im Mittelmeer ertrunken. Anstatt den Flüchtlingen angemessen zu helfen, wie
das viele Menschen von sich aus tun, reden Politik und Medien häufig von „Asylmissbrauch“, „Flüchtlingswellen“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“ und erste Sonderlager
für Flüchtlinge aus dem Balkan werden eingerichtet. Es wird unterschieden zwischen denen, die von der Wirtschaft als Arbeitskräfte gebraucht werden, und denen, die möglichst schnell abgeschoben werden sollen.
Die Botschaft kommt an. Immer häufiger brennen Flüchtlingsunterkünfte in Ost und West.
Auch im Umkreis von Stuttgart gab es im Juli und August 2015 zwei Brandanschläge in
Remchingen im Enzkreis und in Weissach im Tal sowie ein versuchter Brandanschlag in
Balingen. Sichere Einreisemöglichkeiten und eine menschenwürdige dezentrale Unterbringung stehen auf der Tagesordnung! Letztendlich kann es aber nur eine Lösung geben: Die Fluchtursachen müssen beseitigt werden!

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Es gilt weiterhin die Losung der Gefangenen des KZ Buchenwald, die sich selbst befreien
konnten: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

 

UnterstützerInnen:

Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart (AABS); Antifaschistische Aktion (Aufbau)
Stuttgart; „Arbeit Zukunft“ Stuttgart; Cannstatter gegen Stuttgart 21; DIDF Stuttgart
(Föderation demokratischer Arbeitervereine), DIE LINKE Stuttgart; DIE LINKE OV Bad
Cannstatt; DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Stuttgart; Freundschaftsgesellschaft
BRDKuba
Regionalgruppe Stuttgart; GRÜNE JUGEND Stuttgart; Initiative Lernund
Gedenkort Hotel Silber e. V.; Linksjugend [`solid] Stuttgart; Piratenpartei Deutschland,
Kreisverband Stuttgart; SÖS Stuttgart
Ökologisch Sozial; ver.di Bezirk Stuttgart; SDAJ
(Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) BadenWürttemberg;
VVNBdA:
Vereinigung
der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten; Verein Zukunftswerkstatt e.V.,
Zuffenhausen; Waldheim Gaisburg; Waldheim Stuttgart e.V. / Clara Zetkin Haus;
Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften