Freispruch im Berufungsprozess von Michael Csaszkóczy!

17. Januar 2021

Am 10.02.2021 findet die erste Berufungsverhandlung im Strafverfahren gegen den Heidelberger Antifaschisten Michael Csaszkóczy vor dem Landgericht in Heidelberg statt. Der Realschullehrer war im September 2018 in einem haarsträubenden Prozess wegen „Hausfriedensbruchs“ zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 80 Euro verurteilt worden. Tatsächlich hatte er nur eine Wahlkampfveranstaltung der AfD beobachten wollen.
Die Veranstaltung am 12. Mai 2017 im Hilde Domin-Saal der Stadtbücherei Heidelberg war öffentlich beworben worden und musste gemäß den Mietbedingungen der Bibliothek auch öffentlich sein. Dennoch war vielen BesucherInnen der Einlass verwehrt worden, indem die AfD die Veranstaltung am Abend kurzerhand zur privaten Versammlung umdeklarierte. Michael Csaszkóczy wurde bereits im Foyer der Stadtbücherei vom AfD-Politiker Rüdiger Klos ein Hausverbot erteilt. Weil er sich weigerte, die öffentlichen Räume zu verlassen, trug die Polizei ihn aus dem Gebäude. Da von ihm bis dahin keine Störung der Veranstaltung
ausgegangen war, bestand dafür keinerlei rechtliche Grundlage. Er leistete dennoch keinen Widerstand.
Die AfD nutzte trotzdem die Gelegenheit, um gegen einen engagierten, bundesweit bekannten Gegner vorzugehen und stellte Strafanzeige wegen „Hausfriedensbruch“. Sie erhielt dabei Unterstützung von der Heidelberger Polizei und Justiz. Das Amtsgericht kam dem Ansinnen der Rechtsextremisten nach und verhängte gegen Michael Csaszkóczy eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 100 Euro.
Der aufgrund seines Einspruchs anberaumte Prozess vor dem Amtsgericht begann schon unter dubiosen Vorzeichen. Angeblich wegen einer Änderung in der Geschäftsverteilung beim Gericht war die Richterin nur fünf Tage vor der Verhandlung ausgetauscht worden, ein klarer Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des „gesetzlichen Richter“, wonach RichterInnen vor
einem Prozess feststehen müssen. Die dadurch zuständig gewordene Richterin, Julia Glaser, ist zudem, wie sich im Nachhinein herausstellte, die Schwiegertochter des AfDBundestagsabgeordneten und Gründungsmitglieds der Partei, Albrecht Glaser. Zwar kann man selbstverständlich allein daraus nicht auf eine politische Nähe schließen, doch laut Strafprozessordnung sind familiäre Beziehungen auch schon beim Anschein einer Befangenheit anzuzeigen. Dennoch wurde die Besetzungsrüge der Verteidigung abgelehnt.
Die Sorge um die Unparteilichkeit der Richterin erwies sich im Folgenden als nicht unbegründet. Die von ihr angeordneten Sicherheitsvorkehrungen waren für ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs geradezu grotesk: Wie bei einem Prozess gegen Schwerverbrecher wurde der Gerichtssaal von zwölf Polizisten gesichert. Taschen wurden am Eingang des Justizgebäudes durchleuchtet, alle Besucherinnen und Besucher mussten sich abtasten lassen, am Eingang zum Gerichtssaal ihren Ausweis vorzeigen und ihr Handy abgeben. Die Verteidigung bezeichnete diese Stimmungsmache zu Recht als Vorverurteilung.
Richterin Glaser räumte in ihrem Urteil zwar ein, dass bei einer öffentlichen Versammlung in öffentlichen Räumen grundsätzlich alle Interessierten, auch kritische, ein Recht auf Teilnahme haben. Csaszkóczy habe aber in diesem Fall den Schutz von Artikel 8 Grundgesetz (Versammlungsfreiheit) verwirkt, weil er die Veranstaltung stören wollte. Sie stützte sich dabei auf die Aussage des Einsatzleiters der Polizei, wonach er die Rechtmäßigkeit einer Privatveranstaltung angezweifelt habe und den Mietvertrag einsehen wollte. Er sei als „Rädelsführer“ anzusehen, weil er eine dominante Persönlichkeit sei und Einfluss auf seine Mitstreiter ausübe. Das Urteil berief sich somit nicht auf konkrete Handlungen des Angeklagten, sondern auf eine politische Charakterisierung und Rollenzuschreibung der Polizei, die auch als einzige gehört wurde. Entlastungszeugen, wie die Heidelberger Stadträtin Hilde Stolz, die das Geschehen völlig anders beobachtet und beurteilt hatten, wurden gar nicht
erst zugelassen.
Angesichts dieses grob unfairen Vorgehens gegen Michael Csaszkóczy drängt sich der Verdacht auf, Polizei und Justiz wollten damit eine frühere Schlappe auswetzen. Baden-Württemberg und Hessen hatten von 2004 und 2007 ein Berufsverbot gegen den Lehrer verhängt, das jedoch einer Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs nicht standhielt. Das Berufsverbot wurde in einem Verfahren, das bundesweit für Aufsehen sorgte, gekippt, und
Baden-Württemberg zu einer fünfstelligen Schadensersatzsumme verdonnert. Der Verfassungsschutz darf Michael Csaszkóczy jedoch weiterhin bespitzeln.

Dass sich das Heidelberger Amtsgericht im Verfahren über Auseinandersetzungen um die umstrittene AfD-Veranstaltung gleichzeitig zum Handlanger der rechtsextremen Partei machte, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. In die gleiche Entwicklung nach rechts geht die Entscheidung auf Bundesebene, der VVN-BdA den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen.
Wir kennen Michael Csaszkóczy als verdienten Aktivisten, der sich seit vielen Jahren in der VVN und anderen antifaschistischen Initiativen gegen rechte, rassistische, demokratiefeindliche Gruppen und Tendenzen in unserer Gesellschaft engagiert. Wir stellen uns solidarisch hinter ihn.

Wir fordern ein faires Berufungsverfahren und erwarten, dass Michael Csaszkóczy ‒ die tatsächlichen Umstände bei der AfD-Veranstaltung in der Stadtbücherei berücksichtigend ‒ frei gesprochen wird.

Das Urteil der Heidelberger Justiz hat die AfD auch noch ermutigt, Anfang 2019 im Landtag ein erneutes Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy zu beantragen. Wir fordern die Landesregierung daher vorsorglich auf, keine erneuten disziplinarrechtlichen Maßnahmen oder gar ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.
Wir protestieren dagegen, dass für die Berufungsverhandlung ähnlich befremdliche Maßnahmen verfügt wurden, wie bei der ersten. Öffentlichkeit ist damit, verbunden mit coronabedingten Einschränkungen, nur bedingt gewährleistet.

Wir rufen auf zu einer Solidaritätskundgebung mit Infostand am Samstag, 6. Februar sowie zur Teilnahme an den Verhandlungen am 10. Februar und 24. Februar.
‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒-
Sa. 6.2.2021: Solidaritätskundgebung
13.00 | Hauptstr, am Anatomiegarten, Heidelberg
Mi. 10.2.2021: 1. Berufungsverhandlung
08:30 | Landgericht Heidelberg, Kurfürsten-Anlage 15