Den Rechtsruck stoppen – Gemeinsam gegen soziale Spaltung und rechte Krisenlösungen

geschrieben von Gisela Kehrer-Bleicher

9. Februar 2024

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Mit den Erfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen wurde deutlich: Die Strategie der bürgerlichen Parteien gegen deren Aufstieg ist gescheitert, sie findet mit ihren rassistischen und sozialdemagogischen Positionen bei immer mehr Menschen Zuspruch. Die “Brandmauer gegen rechts” gerät ins Wanken. Mehrmals stimmten schon CDU und FDP in Gemeinderäten und im Thüringer Landtag gemeinsam mit der AfD. Im Stuttgarter Gemeinderat bedankte sich ein AfD-Stadtrat bei CDU und FDP, als diese zusammen mit der AfD Unterkünfte für Geflüchtete abgelehnt hatten: “Wir freuen uns, wenn eine andere Partei sich uns politisch wie inhaltlich annähert.“

Bei den Arbeitern (und wenigen Arbeiterinnen), die überhaupt zur Wahl gingen, erzielte die AfD 30 – 40 Prozent. Sie wählten entgegen ihren eigenen Interessen eine Partei, die mit neoliberalen Forderungen auf die weitere Umverteilung zugunsten der Reichen zielt. Auch bei Jugendlichen findet die AfD steigende Zustimmung. In Bayern wurde sie von 19 Prozent der unter 30-Jährigen gewählt. Populistische und rechte Positionen verfestigen sich immer stärker in der Gesellschaft. Deutlich mehr Menschen waren nicht nur Protestwähler. In Befragungen nach den Wahlen stimmten 80 Prozent der AfD-Wähler ausdrücklich deren Forderungen zu, u.a. in der Asylpolitik.

Die aufeinander folgenden Krisen der letzten Jahre und die einseitige Abwälzung der Krisenlasten auf die Mehrheit der Bevölkerung haben zur tiefen Spaltung der Gesellschaft beigetragen. Bis in die Mittelschichten hinein sind immer mehr Menschen durch steigende Preise, wachsende Kinderarmut, Wohnungsmangel, fehlende Kitaplätze und ausfallenden Unterricht belastet. Die öffentliche Infrastruktur wurde jahrelang kaputtgespart und ist vielerorts marode. Kommunen können die Daseinsfürsorge nicht mehr aufrechterhalten, sie müssen Sparhaushalte verabschieden, sind gezwungen Schwimmbäder zu schließen und Unterstützung für soziale und kulturelle Einrichtungen einzuschränken. Die Politik der Ampelkoalition trägt nichts dazu bei, die soziale Spaltung unserer Gesellschaft zu überwinden. Die durch eklatante Fehler der Regierung entstandene Haushaltslücke von 60 Milliarden Euro wird für weiteren Sozialabbau genutzt. Die Einführung der Kindergrundsicherung und die wirksame Bekämpfung der Kinderarmut rückt in weite Ferne. Kürzungen des Bürgergelds unter das Existenzminimum wurden diskutiert. Die Prioritäten bleiben: Kürzungen bei Sozialem, Klimaschutz, Bildung, Wohnen – doch für den Krieg in der Ukraine wurden rasch noch 8 Milliarden Euro in den Haushalt aufgenommen. Der gesamte Militär- und Rüstungsetat wird auf rund 90 Milliarden Euro erhöht, das sind 20 Prozent des ganzen Haushalts für 2024. “Das ist eine Kriegserklärung an Menschen, die aus Geldmangel zwischen Heizen und Essen entscheiden müssen” (Gesine Lötzsch, Abgeordnete der Linken im Bundestag). Gleichzeitig sorgt die Politik für weitere Umverteilung zugunsten der Reichen. Die Rüstungsindustrie freut sich über Rekordeinnahmen und die Vermögen der reichsten Deutschen wachsen ungebremst. Mit einer Vermögensteuer könnte diese eine Prozent der Bevölkerung ihren Beitrag zur Bewältigung der Krisenlasten leisten. So könnte auch das weitere Abdriften von Gesellschaft und Politik nach rechts gestoppt werden. Denn wachsende Ungleichheit führt zu Existenzsorgen und Entsolidarisierung. Immer mehr Menschen haben Angst vor einem weiterem sozialen Absturz. Diese Verunsicherung macht anfällig für rechte Krisenlösungen. Nationalistische Ideologien schaffen vermeintliche Sündenböcke und lenken von den tatsächlichen Ursachen der Kluft zwischen Arm und Reich ab. Menschen, die armutsbedroht sind und Angst vor sozialem Absturz haben, verlieren ihr Vertrauen in das parlamentarische System und seine Parteien. Davon profitiert die AfD.

In rasantem Tempo haben alle Parteien der Mitte Positionen der AfD übernommen. Inhumane Politik gegen Geflüchtete ist längst kein Alleinstellungsmerkmal der AFD mehr. Mit Verschärfungen in der Migrationspolitik, Abschottung und vermehrten Abschiebungen wollen sie ihre Macht sichern; indem sie AfD-Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen. Tatsächlich bestätigen sie dadurch aber rechte Positionen und verhelfen der AfD zu weiteren Wahlerfolgen. Regierung und CDU wollen einen “Mentalitätswechsel in der Gesellschaft“: „…wir müssen kriegstüchtig werden”, hat Kriegsminister Boris Pistorius das Ziel vorgegeben. Der Kurs der militärischen Eskalation, der Aufrüstung und des Wirtschaftskrieges soll fortgesetzt, die Gesellschaft im Innern autoritär ausgerichtet und “wehrhaft” gemacht werden. Einschränkungen demokratischer Rechte, wie des Versammlungsrechts und der Asylgesetze, höhlen das Grundgesetz aus. Mit Verschärfungen der Polizeigesetze und erweiterten Befugnissen für die Polizei sollen Proteste gegen den Kriegskurs und den sozialen Kahlschlag verhindert werden. Dies ist keine Abgrenzung nach rechts, so wird autoritäre Politik etabliert.

Wie kann der Rechtsruck gestoppt werden?
Man kann die AfD (nicht mehr) nur mit Argumenten bekämpfen, wir müssen uns noch deutlicher mit den Inhalten ihrer Politik auseinandersetzen. Wir müssen klare Kante gegen alle Formen menschenfeindlicher und unsozialer Politik zeigen, überall. Es darf keinerlei Anbiederung an die Inhalte der AfD und anderer rechter Parteien geben. Auf allen politischen Ebenen ist eine klare Abgrenzung von den Positionen der AfD notwendig. Dazu gehört auch der gemeinsame Kampf gegen die unsoziale Politik, mit der Krisenlasten auf die Schwachen in der Gesellschaft abgewälzt und gleichzeitig die Reichen begünstigt, während Wirtschaftskrieg, Aufrüstung und Kriegspolitik ungebremst fortgesetzt werden. Bewegungen, Bündnisse und Gewerkschaften, die soziale Ungleichheit, alle Formen von Rassismus und rechter Ideologie, Aufrüstung und Militarismus bekämpfen, brauchen mehr und wirksame Unterstützung. Solidarität ist unteilbar!