„Remigration“: Polizeieinsatz beendet „Lesung“ von Martin Sellner

geschrieben von Rüdiger Jungkind

29. Oktober 2024

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Foto: Rolf Neff, PF Rundschau

Die Tour von Martin Sellner war groß beworben: In mehreren bundesdeutschen Städten wollte er aus seinen Büchern vorlesen. Für Baden-Württemberg hatte er sich als zentralen Ort Pforzheim ausgesucht. Über die Gründe dieser Orientierung können wir nur spekulieren. Ein Zusammenhang mit der Stärke der „Rechten“ ist wahrscheinlich. Bei der Gemeinderatswahl zog die AfD als stärkste Fraktion in das neugewählte Gremium der Stadt Pforzheim ein.

Wer ist Martin Sellner?

In einer Presseveröffentlichung von BIG Business Crime (April 2024) heißt es über ihn:

Martin Sellner gehört zu den ständigen Autoren der Zeitschrift „Sezession“, die vom Institut für Staatspolitik, dem neurechten Thinktank Götz Kubitscheks im thüringischen Schnellroda herausgegeben wird. Von 2015 bis 2023 war er Sprecher der Idenditären Bewegung in Österreich. Ende November 2023 trug er bei dem von der investigativen Plattform Correctiv aufgedeckten Treffen von AfD-M itgliedern und anderen Rechten in einer Potsdamer Villa einen Masterplan zur „Remigration“ von Flüchtlingen und „nicht assimilierbaren“ Eingewandertern vor. Dazu hat er inzwischen auch ein weiteres Buch im selben Verlag wie das hier rezensierte* vorgelegt. (Anmerkung des Verfassers: „Regime-Change von Rechts – eine strategische Skizze“)

Sellner hat eine tiefbraune Vergangenheit, die z.B. zu einem Einreiseverbot in Großbritannien führte. In „Wikipedia“ ist zu lesen (abgerufen am 28.08.2024):

Einreiseverbote

Im Jahr 2018 verweigerten ihm britische Behörden mehrfach die Einreise nach Großbritannien und verwiesen ihn des Landes; im Juni 2019 verhängte das britische Innenministerium schließlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein unbefristetes Einreiseverbot gegen Sellner. Nachdem Sellner eine Spende des Christchurch-Attentäters Brenton Tarrent angenommen hatte, verhängten die Verienigten Staaten im März 2019 ein Einreiseverbot gegen ihn und entzogen ihm sein Langzeitvisum. Im März 2024 erhielt Sellner nach einem Entscheid der Stadt Potsdam ein Einreiseverbot nach Deutschland. Der Entscheid erging unter Verweis auf § 6 Abs. 1 FreizügG/EU „aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“. Dem Einreiseverbot vorausgegangen waren deutschlandweite Proteste gegen Rechtsextremismus, die sich auf einen in Potsdam gehaltenen Vortrag Sellners zur Remigration bezogen. Infolge eines Eilantrag Sellners gegen dieses Einreiseverbot wurde dessen Vollzug von der Stadt Potsdam im April 2024 ausgesetzt. Das Verwaltungsgericht Potsdam gab dem Eilantrag Ende Mai 2024 mit aufschiebender Wirkung statt; das Einreiseverbot darf somit vorerst nicht vollzogen werden. Laut Gericht erfüllte die Begründung der Stadt Potsdam für das Verbot nicht die „tatbestandlichen Voraussetzungen“ für einen solchen schwerwiegenden Eingriff. Die Verfügung sei nach der im Eilverfahren möglichen Prüfung erwiesen rechtswidrig.

Die Initiative gegen Rechts mobilisierte gegen die für den 3. August im Raum Pforzheim angekündigte Lesung mit einem breiten Bündnis gegen diese Lesung, ohne den genauen Ort dieser Lesung zu kennen. Vor dem Rathaus in Pforzheim wurden kurzfristig am Samstagabend 150 Menschen mobilisiert (laut Polizeiangaben 70). OB Peter Boch und Bürgermeister Dirk Büscher nahmen als Privatpersonen an dieser Kundgebung teil. Es stellte sich heraus, dass Sellner seine Lesung in Neulingen-Göbrichen (Enzkreis) halten wollte. Der dortige Bürgermeister erließ gegen die Lesung in einer renommierten Gaststätte eine Polizeiverfügung, aufgrund derer die Polizei den Veranstaltungsraum räumen ließ.