Wenn Rechte vom Frieden reden …

geschrieben von A. Cipriano

29. Oktober 2024

,

Ist Deutschland ein Vasallenstaat der USA? Diese Frage begegnet uns gelegentlich in Diskussionen über die aktuelle weltpolitische Lage, manchmal sogar innerhalb der Friedensbewegung. Zugegeben: Es ist nicht allzu verwunderlich, dass dieser Eindruck entsteht. So wurde beispielsweise bei der geplanten Stationierung der US-Mittelstreckenraketen der Bundestag schlicht außen vor gelassen. Bei einigen Bundestagsabgeordneten löste dies zumindest scheinbar einen gewissen Grad an Empörung aus – hätte man sie um Erlaubnis gefragt, ist wohl doch davon auszugehen, dass ein Großteil des Parlaments der Stationierung zugestimmt hätte. Auch die Behauptung, die Ampelkoalition würde die Ruinierung der deutschen Wirtschaft billigend in Kauf nehmen, lässt sich oberflächlich nachvollziehen, schaut man sich beispielsweise an, wie die knallharte Abkoppelungsstrategie gegenüber Russland zumindest vorübergehend massive wirtschaftliche Einbußen vor allem in Sektoren mit hohem Energiebedarf mit sich bringt. Betrachtet man also alles in allem die deutsche Außenpolitik, so scheint es, als würde die Ampelregierung blind dem Diktat aus Washington Folge leisten.

Alles nur Vasallentreue?
Würde man diesem Erklärungsmuster folgen, müsste man bei der Schlussfolgerung landen, dass von deutschem Boden keine Kriegsgefahr ausginge. Die Aufgabe der Friedensbewegung hierzulande läge allein darin, die Vasallentreue gegenüber den USA zu brechen und für ein Deutschland außerhalb der US-Hegemonie zu kämpfen. Als Vereinigung, die aus dem antifaschistischen Widerstand heraus entstanden ist, dessen vorrangiges Ziel es war, mit dem deutschen Militarismus endgültig zu brechen, käme es uns natürlich nicht in den Sinn, die von Deutschland ausgehende Kriegsgefahr zu unterschätzen.

Die erschreckende Welle der Militarisierung, die wir hier gerade beobachten können, die schrittweise Reaktivierung der Wehrpflicht, die massiven Rüstungsprojekte, die gigantischen Militärausgaben, die Angriffe auf die zivile Forschung, die Militarisierung auch der Medienlandschaft, ja sogar des Schulunterrichts – all das deutet darauf hin, dass Deutschland für einen weiteren Griff nach der Weltmacht Anlauf nimmt. Historisch indes sind schon zwei solche Anläufe krachend gescheitert, die Konsequenzen waren Versailler Vertrag und der Status als besetztes Land. Überdies befindet sich Deutschland militärisch betrachtet in einer schwierigen Ausgangslage – es verfügt beispielsweise über kein eigenes Atomwaffenarsenal und auch noch nicht über die militärische Stärke, um an der Spitze mitzumischen.

Daraus leitet sich aktuell eine Strategie ab, die auf der einen Seite eine Einbindung in die US-Politik mit unter anderem NATO-Mitgliedschaft und einheitlicher Sanktionspolitik beinhaltet, um aber dadurch auf der anderen Seite die Bedingungen zu schaffen, selbst wiederum im Windschatten der USA nach militärischer Größe streben zu können. Zwar beobachten wir eine gewisse Aufgabe der strategischen Autonomie, gleichzeitig nimmt Deutschland aber zunehmend eine führende Rolle innerhalb der NATO ein, übt sich in Kampfeinsätzen und treibt die Aufrüstung des eigenen Heeres rasant voran. Der aktuelle Regierungskurs ist also keinesfalls als Buckeln vor den USA aus bloßer Nächstenliebe zu verstehen, sondern zielt gleichzeitig darauf ab, Deutschland wieder stärker als militärischen Player zu etablieren.

Das durchschaut sich aber natürlich nicht so leicht. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn wir immer wieder darauf bestehen müssen, die Gefahr, die vom deutschen Militarismus ausgeht, nicht zu unterschätzen. Für rechte Demagogen aber ist diese Gemengelage natürlich ein gefundenes Fressen.

Die Rechten beim Wort nehmen?
In Teilen inszeniert sich beispielsweise die AfD als angebliche Friedenspartei, weil sie die völkerrechtswidrigen Sanktionen gegenüber Russland sowie Waffenlieferungen an die Ukraine ablehne. Klar sollte für uns sein, dass das natürlich noch keine Friedenspartei ausmacht. Die meisten Militarisierungspakete werden von der AfD im Bundestag mitgetragen. Fernab davon ist aber auch in Frage zu stellen, ob diese Partei – sollte sie je Regierungsverantwortung tragen – auch tatsächlich eine andere Politik im Bezug auf diese Fragestellungen betreiben würde. Im Wahlkampf lässt sich leicht mit diesen Parolen hausieren, in der Regierungsverantwortung hingegen wäre sie ebenso mit den realen Problemstellungen des deutschen Militarismus konfrontiert, wie gerade die Ampelkoalition.

Für die Kriegsertüchtiger aber ist die AfD damit in doppelter Hinsicht nützlich: einerseits als relativ zuverlässiger Bündnispartner, um Aufrüstungspakete im Bundestag durchzubekommen, andererseits als Vehikel, Protest gegen eben diese in die rechte Ecke zu stellen. Der Vorwurf an die Friedensbewegung „dasselbe zu fordern, wie die AfD“ ist am Ende des Tages nichts anderes als der Appell, rechte Demagogen doch bitte beim Wort zu nehmen.

Aufgabe der antifaschistische Friedensbewegung ist es aber, sowohl die Einbindung der Bundesrepublik in die US-Politik, also in die Politik des Staates, von dem weltweit die größte Kriegsgefahr ausgeht, als auch die Versuche selbst nach der Weltmacht zugreifen, zu bekämpfen. Damit steht sie in der Tradition immer sowohl die militärische Westeinbindung der Bundesrepublik als auch die heimische Aufrüstung bekämpft zu haben, die sich in Anbetracht der spezifisch-deutschen Ausgangslage gegenseitig bedingen.