Demokratie gegen Direktionsrecht
11. Juli 2025
Antifa Nachrichten, Sozialpolitik
In den kommenden Wochen erscheinen die nächsten Antifa Nachrichten zum Thema „Krieg, Krise, Stellenabbau“. Unseren Mitgliedern werden sie postalisch zugesandt, außerdem erscheinen sie auf unserer Homepage. Nachfolgender Artikel hat es Aufgrund des Zeitplans leider nicht mehr in die Printausgabe geschafft und erscheint daher hier als Diskussionsbeitrag. Wir bedanken uns vielmals bei Rüdiger Binkle für die Zusendung.
Vor 80 Jahren: Wirtschaftsdemokratische Anläufe im Südwesten
Verhinderung von Konzernbildung und Rüstungsproduktion, Mitsprache bei der Produktion und Personalpolitik, gemeinsame Lenkung der Betriebe durch Bosse und Belegschaft… Die wirtschaftsdemokratischen Forderungen, des vor rund 80 Jahren in der französischen Besatzungszone gegründeten Badischen Gewerkschaftsbundes (BGB) würden heute vermutlich in den Industrie- und Handelskammern Schnappatmung hervorrufen und die Rheinmetall-Aktien abstürzen lassen. Für die Westzonen waren die Forderungen der südbadischen Arbeiterbewegung auch ungewöhnlich weitreichend. Die „sozialistische Gesellschaftsordnung“ die auf Mai-Demonstrationen, Kundgebungen und in Versammlungen in der Zone francaise gefordert wurde, sah freilich nicht die komplette Änderung der Besitzverhältnisse, sondern vielmehr die Einschränkung der Verfügungsgewalt der Unternehmer über Menschen und Material vor.
Nach der Niederwerfung der Nazi-Diktatur war es zunächst ein Ziel der französischen Besatzungspolitik die linksrheinischen Gebiete, welche man unter der Kontrolle hatte, politisch und wirtschaftlich von Deutschland abzutrennen. Letztlich setzten sich jedoch auch im Südwesten das britische und US-amerikanische Ziel der Restauration Deutschlands durch. Gleich nach der Befreiung vom Faschismus gab es die ersten Gewerkschaftsneugründungen in der französisch besetzten Zone. Der Weg zur Einheitsgewerkschaft, vordringlicher Wunsch der Aktiven aus den Arbeiter*innenparteien, war jedoch steinig.
Nach der Entnazifizierung und der Versorgung der Not leidenden Bevölkerung hatte der BGB schon bald nach seiner Gründung im Sommer 1947 ein Betriebsrätegesetz auf der Agenda, mit dem die Südwest-Gewerkschafter den Kapitalismus an die Leine nehmen wollten. Die französischen Besatzungsbehörden verfolgten das gewerkschaftliche Treiben in ihrem Gebiet, je nach eigenem politischem Standpunkt mit Misstrauen oder Wohlwollen. Leicht nachvollziehbar zeigte der Militärgouverneur Marie-Pierre Koenig als autoritärer Gaullist eine andere Haltung als der aus der Résistance kommende Sozialist und Zivilverwalter Emile Laffon. Die badische Wirtschaftsdemokratie hatte aber noch weitere erbitterte Gegner. Die badische Staatsregierung in Freiburg blockte ebenso wie das in den industriellen Fachverbänden organisierte Kapital. Dabei wollte die regierende Badische Christlich-Soziale Volkspartei (BCSV), Vorläuferin der heutigen CDU, noch im Herbst 1947 selbst die Alleinherrschaft der Unternehmer in der Produktion einschränken und den Gewerkschaften die Führungsrolle bei der Demokratisierung der Betriebe zuweisen. Die Arbeitgeber pochten auf dem alleinigen „Direktionsrecht im Betrieb“ und setzten auf hinhaltenden Widerstand. Für die Umsetzung des fortschrittlichsten Betriebsrätegesetzes der Westzonen konnte der BGB rund 35.000 Arbeiter*innen zwischen Oberrhein und Schwarzwald in Kundgebungen und Streikversammlungen mobilisieren. Doch die alten Besitz- und Machtverhältnisse kehrten bald zurück. Mancher Gewerkschaftsführer bekam bald Angst vor der eigenen Courage. Auf dem Verhandlungswege wurden zentrale Forderungen verwässert, im Zuge des Ost-West-Konfliktes war die Furcht vor den Kommunist*innen in den eigenen Reihen grösser, als vor der Restauration des alten wirtschaftlichen Gefüges. Die badische Sozialdemokratie, die 1946 noch unter dem Namen „Sozialistische Partei“ firmiert und den Zusammenschluss der Arbeiterparteien propagiert hatte, arbeitete nun auf eine Partnerschaft mit dem Zonen-Kapital hin. Die gesellschaftliche Mitbestimmung war, obgleich fulminant gestartet, zur historischen Randnotiz verkommen.