Käthe und Alfred Seitz – ein Ehepaar im Widerstand

geschrieben von Silke Makowski

19. September 2025

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Eine der bekanntesten badischen Widerstandsgruppen war das Netzwerk um den früheren KPD-Landtagsabgeordneten Georg Lechleiter. Zum Kern der antifaschistischen Gruppe, die gemeinsam die Zeitung „Der Vorbote“ herausgab, gehörten Käthe und Alfred Seitz aus Heidelberg.

Käthe Seitz wurde am 12. Februar 1894 als Käthe Philippine Brunnemer in Ludwigshafen geboren. Über ihren Vater Philipp Brunnemer, aktiver Sozialdemokrat und Mitglied des Reichsbanners, kam sie schon früh mit sozialistischen Ideen in Kontakt. Später zog Familie Brunnemer nach Cleve, wo die junge Frau 1913 Theo Janssen heiratete. 1918 trat sie der SPD bei und wurde im Folgejahr Stadträtin sowie in verschiedenen Ausschüssen tätig. Die Ehe mit Janssen, aus der zwei Söhne und eine Tochter hervorgingen, wurde jedoch bald geschieden. Nachdem sie 1922 nach Mannheim zurückgekehrt war, übte sie keine parteipolitische Funktion mehr aus und hatte zunehmend Kritik an der SPD, stand ihr aber weiterhin nahe.

Über die gemeinsame Arbeit in einer orthopädischen Praxis lernte sie den Krankenpfleger Alfred Seitz kennen, der am 10. Februar 1903 in Mannheim geboren war und ebenfalls mit der SPD sympathisierte. 1929 heirateten die beiden und zogen später nach Heidelberg, wo sie zuletzt in der Karlsruher Straße 46 lebten. Die Wohnung lag nicht weit von der heutigen Thoraxklinik in Heidelberg-Rohrbach, wo Alfred Seitz ab 1939 als OP-Pfleger arbeitete.

Es ist unklar, ab wann sich das Paar dem organisierten antifaschistischen Widerstand anschloss. Sicherlich standen sie durchgehend in Kontakt zu anderen Nazigegner*innen, denn der Vater von Käthe Seitz, Philipp Brunnemer, war in regelmäßigem Austausch mit kommunistischen Widerstandskämpfer*innen aus Mannheim, nicht zuletzt mit Georg Lechleiter. Auf diese Weise war das Ehepaar Seitz zumindest über die Tätigkeit der illegalen KPD informiert und brachte sich zunehmend aktiv ein.

Immer wieder hatte der kommunistische Widerstand in Mannheim schwere Rückschläge durch den NS-Terror erlitten, doch in vielen proletarischen Wohnvierteln und Großbetrieben existierten weiterhin kleine KPD-Zellen. Spätestens 1940 hatte ein Kreis um Lechleiter die Verbindungen zwischen den konspirativen Gruppen wieder hergestellt und Spenden für die politischen Gefangenen und ihre Familien gesammelt. Zu diesem Zeitpunkt müssen Käthe und Alfred Seitz schon als vertrauenswürdige Genoss*innen zum inneren Kreis gehört haben: Die Grenzen zwischen den einst verfeindeten Arbeiter*innenparteien waren im gemeinsamen Kampf gegen den Nazi-Faschismus zunehmend aufgeweicht.

Eine Zäsur bedeutete der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, und die Kerngruppe kam umgehend zu einem Sondertreffen auf der Heidelberger Neckarwiese zusammen. Die beiden Mannheimer Jakob Faulhaber und Georg Lechleiter, der Heidelberger KPD-Funktionär Albert Fritz und das Ehepaar Seitz beschlossen, in dieser Situation ihre Arbeit zu verstärken. Das Gespräch wurde in der Seitz‘schen Wohnung in Rohrbach fortgesetzt, wo sie vereinbarten, die antifaschistische Zeitung „Der Vorbote“ herauszugeben.

Käthe Seitz erklärte sich sofort bereit, die Schreibmaschine in ihrer Wohnung unterzubringen, die Texte zu korrigieren und auf die Matrizen abzutippen, die für die Vervielfältigung benötigt wurden. Ihr Mann Alfred unterstützte sie bei Korrekturen und als Kurier, genau wie ihre Tochter aus erster Ehe, Hilde Janssen. Ihr Vater, Philipp Brunnemer, war ebenfalls in einer Schlüsselrolle beteiligt, indem er die Zeitung auf einem Abzugsapparat in seinem Keller vervielfältigte. Dass diese besonders heiklen Abläufe, die mit verräterischen Geräuschen verbunden waren, und die kostbare technische Infrastruktur in sozialdemokratische Haushalte verlagert wurden, war kein Zufall: Frühere SPD-Mitglieder – insbesondere jene, die in der NS-Zeit nicht polizeilich aufgefallen waren – standen unter weit geringerer Überwachung als bekannte Kommunist*innen.

An der klandestinen und arbeitsteiligen Produktion der Widerstandszeitung waren dutzende Widerstandskämpfer*innen beteiligt: Georg Lechleiter und Rudolf Langendorf schrieben die meisten Artikel, andere Mitglieder kauften Papier in unauffälligen Kleinmengen und arbeiteten als Kurier*innen, und viele Unterstützer*innen in den Basiszellen kassierten das benötigte Geld und gaben die Zeitung weiter. Dabei galt strenge Konspirativität: Das Blatt war nicht für die breite Masse gedacht, sondern ausschließlich für vertrauenswürdige Gleichgesinnte.

Ab September 1941 erschienen vier Ausgaben des „Vorboten“. Die Themen reichten von Analysen zum aktuellen Kriegsverlauf und zu wirtschaftlichen Entwicklungen über die Situation in der Sowjetunion bis hin zu Grundregeln der illegalen Arbeit. Nicht nur im Mannheimer Stadtgebiet, sondern bis weit in die Pfalz wurde das Heft gelesen, denn auch wenn die Auflage gering war, gingen die einzelnen Exemplare von Hand zu Hand.

Anfang 1942 kam die Gestapo der Gruppe auf die Spur. Einzelnen Beteiligten waren bereits mehrere Fehler unterlaufen, indem sie die Druckschrift an unzuverlässige Personen weitergegeben hatten, und Handwerker hatten bei Reparaturen ein Exemplar entdeckt. Ausschlaggebend für die Aufdeckung war jedoch ein Spitzel, den die Gestapo eingeschleust hatte – den langjährigen KPD-Aktivisten Gustav Süß, der gezielt auf Georg Lechleiter angesetzt worden war und monatelang möglichst viele Namen von Beteiligten zusammentrug.

Die fünfte Ausgabe war gerade in Arbeit, als Ende Februar 1942 die Verhaftungen einsetzten. Als Käthe Seitz davon erfuhr, vernichtete sie die Matrizen und Vorlagen, an denen sie arbeitete, und verkaufte die Schreibmaschine, sodass keine Beweise sichergestellt werden konnten. Die NS-Verfolgungswelle war aber nicht mehr aufzuhalten, und in den nächsten Monaten wurden zahlreiche Antifaschist*innen verhaftet und unvorstellbar brutalen Verhören unterzogen. Drei Kommunisten wurden noch vor dem Prozess in den mörderischen Folterungen von der Gestapo erschlagen.

Schon am 14./15. Mai 1942 fand ein erster Prozess gegen 14 führende Mitglieder um Georg Lechleiter statt, darunter gegen Käthe und Alfred Seitz sowie Philipp Brunnemer. Alle 14 Angeklagten wurden zum Tode verurteilt. Für Hilde Janssen erwies sich als lebensrettend, dass die anderen Beteiligten sie schützten und ihr Verfahren abgetrennt wurde.

Nach einem halben Jahr in der Todeszelle wurden Käthe und Alfred Seitz zusammen mit ihren 12 Genoss*innen am 15. September 1942 in Stuttgart hingerichtet. Um die Ermordeten auch postum zu demütigen, wurden ihre Leichen nicht an die Hinterbliebenen übergeben, sondern Anatomischen Instituten für Sezierübungen überlassen. Erst 1950 konnten die sterblichen Überreste an der Gedenkstätte auf dem Heidelberger Bergfriedhof beigesetzt werden.

Viele neue Informationen sind Michael Ehmanns akribisch recherchiertem Beitrag „Um 5.04 Uhr war das Urteil ohne Zwischenfall vollstreckt“ (Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 2024, S. 129-142) entnommen.