„…für eine Welt des Friedens“
29. Oktober 2024
„Hitler bedeutet Krieg“, das war nicht nur eine griffige Wahlkampfparole in der Weimarer Republik. Es war die Erkenntnis über das Wesen des Faschismus und das zentrale Motiv des Widerstands dagegen. Das Eintreten für eine Welt des Friedens und der Freiheit, wie es im Schwur von Buchenwald heißt, „nie wieder Faschismus und Krieg“, das war das Grundanliegen der Frauen und Männer in der neugegründeten VVN.
Damals konnten sich nur wenige vorstellen, dass aus den Trümmern der deutschen Städte wieder der Wunsch nach einer deutschen Armee laut werden könnte. Die neugegründete VVN konnte es: Lange bevor in Deutschland wieder öffentlich von Wiederbewaffnung gesprochen wurde, erkannte die VVN die neue Tendenz des beginnenden Kalten Krieges. Bereits 1948 steht der Aufruf zum Gedenktag für die Opfer des Faschismus der VVN Württemberg-Baden unter dem Motto „Lasst uns den Frieden gewinnen, statt neuen Krieg zu beginnen“.
„Ohne uns“ – Kampf gegen die Remilitarisierung
Von Anfang an ist die VVN einer der Motoren für die Entwicklung einer breiten Friedensbewegung. Zum Befreiungstag 1949 richtet sie in Baracken auf dem Stuttgarter Schloßplatz die Ausstellung „Frieden nicht Untergang“ aus. Auf ihrer 14. gesamtdeutschen Ratstagung rief die VVN ihre Mitglieder zum „Unentwegten Kampf für den Frieden“ auf. Der jährliche Gedenktag Anfang September wurde in allen Ländern als Friedenswoche vom 1.-11. September begangen. Die VVN wird initiativ, um eine breite bundesweite Friedensbewegung zu schaffen. Am 14./15. 4.1951 beschließt ein „Kongress der Widerstandskämpfer, der Opfer des Faschismus und des Krieges“ in Gelsenkirchen auf Einladung und Vorschlag der VVN eine Volksbefragung gegen die Militarisierung.
Trotz Verbot wurde eine Volksbefragung gegen die Wiederaufrüstung durchgeführt, bei der 8 Millionen ihre Stimme abgaben. Insgesamt 7321 Helfer der Volksbefragung wurden verhaftet, über 1000 Gerichtsverfahren eingeleitet. Der Sekretär des Hauptausschusses für die Volksbefragung, der Widerstandskämpfer und Buchenwaldhäftling Oskar Neumann wurde wegen der Organisierung dieser Volksbefragung wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Kampf dem Atomtod!
Kaum hatte die Bundesrepublik eine neue Armee, wurde auch die Forderung nach deren atomarer Bewaffnung erhoben. Auch im Widerstand gegen die atomare Aufrüstung hatte die VVN als eine der ersten Organisationen Initiativen ergriffen. Am 20. Juli 1955 überbrachte eine Delegation der VVN, der auch Alfred Hausser angehörte, der Außenministerkonferenz in Genf eine Erklärung, in der die Ächtung aller Atomwaffen gefordert wurde. Mit der Göttinger Erklärung von 18 Atomwissenschaftlern wurde erneut eine breite Volksbewegung für den Frieden eingeleitet. Im März 1958 konstituierte sich in Frankfurt ein bundesweiter Arbeitsausschuss „Kampf dem Atomtod“. Noch im selben Monat beschloss die Regierungsmehrheit im Bundestag die atomare Ausrüstung der Bundeswehr.
Dieser Beschluss konnte bis heute nicht verwirklicht werden. Eine ungeheure Welle von Protesten der sich DGB wie SPD anschlossen ging durch die Bundesrepublik.. Auch in dieser breiten Massenbewegung spielte die VVN im Bundesgebiet eine wichtige Rolle.
Die Reaktion der Bundesregierung auf ihre faktische Niederlage erfolgte prompt. Im Oktober 59 stellte sie ihren Verbotsantrag gegen die VVN. Das Friedenskomitee der BRD wurde ebenfalls verboten. Die bis dahin größte Massenbewegung der Bundesrepublik half mit zu verhindern, dass ein bereits existierender Bundestagsbeschluss umgesetzt werden konnte.
NATO-Raketenbeschluss und Krefelder Appell
1979 beschloss die NATO In ihrem sogenannten Doppelbeschluss eine große Zahl qualitativ neuer atomarer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik zu stationieren, mit dem Ziel, die atomare Erstschlagsfähigkeit des Westens zu erlangen und damit den Atomkrieg führbar zu machen.
Dieser Beschluss rüttelte in ganz Europa Menschen wach. Die Mitglieder der VVN trugen am immer schnelleren Wachsen einer aktionsbereiten Friedensbewegung einen wichtigen Anteil. Die VVN organisierte zum 35. Jahrestag der Befreiung eine Friedensdemonstration in Mannheim, an der 25 000 Menschen teilnahmen.
Als im November ’80 auf einem Kongress von 700 Friedensbewegten in Krefeld der Krefelder Appell verabschiedet wurde, der von der Bundesregierung die Rücknahme ihrer Zustimmung zur Stationierung verlangte, gehörten auch die Antifaschisten zu den ersten, die begannen Unterschriften zu sammeln.
Die unzähligen Friedensaktivitäten in Stadt und Land finden erste Höhepunkte in den großen Bonner Friedensdemonstrationen der Jahre 81 mit 300.000 und 82 mit 400.000 TeilnehmerInnen, bis dahin jeweils die größten Massendemonstrationen die die Bundesrepublik je gesehen hat. Sie wurden am 22. 10. 1983 noch getoppt durch parallele Friedensaktionen in Bonn, Hamburg, Westberlin und die südwestdeutsche 107 km lange Menschenkette zwischen Stuttgart und Ulm.
Diese Massenbewegung und der darauffolgende Widerstand mit Dauerblockaden an den Stationierungsorten trugen schließlich im Jahre trugen dann 1987 tatsächlich ihre Früchte: In Washington unterzeichneten die USA und die Sowjetunion das Abkommen zur Beseitigung der atomaren Mittelstreckenraketen. Der Kampf gegen die Raketenstationierung hatte entscheidend zum ersten wirklichen Abrüstungsschritt in der Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg beigetragen.
Golfkrieg und „Neue Weltordnung“
Wenige Jahre Später rief US Präsident George Bush eine „neue Weltordnung“ aus. Mit dem Golfkrieg 1991, der 200.000 Opfer forderte, demonstrierten die USA, dass sie diese neue Weltordnung als das Recht des Stärkeren verstanden, seine Interessen mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Wieder war die Friedensbewegung und mit ihr die VVN-BdA zu Hundertausenden auf der Straße.
Zur gleichen Zeit begann man auch im neuen, größeren Deutschland sich auf die neue Weltordnung einzurichten. Zug um Zug wurde damit begonnen, die Bundeswehr von allen militärischen und politischen Beschränkungen, die ihr bis dahin nur den Einsatz zur Verteidigung erlaubten, zu befreien. Die mit dem 2 + 4 Vertrag verbundene zahlenmäßige Reduzierung der Bundeswehr wurde nicht zur Abrüstung, sondern zur Umstrukturierung genutzt. Fast jede Konflikt- und Krisensituation wurde genutzt, um die Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Militäroperationen ins Spiel zu bringen.
Kriegseinsätze: Neue deutsche Normalität
Die Bundeswehr bestritt ihre ersten Auslandseinsätze zunächst noch unter dem Dach der UNO als friedenserhaltende Blauhelmmissionen. Nach und nach werden daraus veritable Kampf- und Kriegseinsätze ohne jedes UNO Mandat. Die Vorgabe dazu findet sich in den ‚verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung von 1992: Die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zuggangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ werden darin zur Aufgabe der Bundeswehr erklärt.
Von Anfang an kämpft die VVN-BdA gemeinsam mit der Friedensbewegung gegen dieses Wiedererwachen des deutschen Militarismus und deutscher Weltmachtpläne.
Die Demonstration zum 50. Jahrestag der Befreiung 1995 in Karlsruhe auf der u.a. der VVN-BdA Ehrenvorsitzende Alfred Hausser spricht, wird zum Impuls dafür, die Tradition der Ostermärsche, die einige Jahre ausgesetzt worden war, neu aufzunehmen.
Neuer Krieg von deutschem Boden
Der endgültige Bruch mit dem Nachkriegsgebot „Nie wieder Krieg von deutschem Boden, wird ausgerechnet von der 1998 neu gewählten rot-grünen Regierung vollzogen: Deutschland beteiligt sich am Bombenkrieg gegen Jugoslawien. Zum dritten Mal im 20. Jahrhundert bombardieren deutsche Flugzeuge im Frühjahr 1999 Belgrad.
Kein Blut für Öl
2002 begann vor den Augen der Welt der Count down für den Krieg ums irakische ÖL mit der gigantischen Lüge von den Massenvernichtungswaffen des Irak.
Die VVN-BdA wird Teil einer starken internationalen Bewegung, deren Ziel es ist, dieser offenen Kriegsvorbereitung in den Arm zu fallen.
Die vielen Aktionen der Friedensbewegung trugen dazu bei, daß sich die deutsche Regierung öffentlich gegen den geplanten Krieg aussprach. Die Bundesregierung hatte sich mitten im Wahlkampf auf einen Kurs gegen den Irakkrieg festgelegt und damit diesen Krieg zum Wahlkampfthema gemacht. Tatsächlich gelang es ihr auf diese Weise schließlich, die Wahlen zum Bundestag, am 22. 9. knapp zu gewinnen.
Weltmacht Friedensbewegung
Der 15. Februar 2003 wird zu einem historischen Tag. Die Friedensbewegung hat weltweit zu Aktionen in allen Hauptstädten aufgerufen. Und in fast allen Hauptstädten der Welt kommt es zu den bisher größten Friedensaktionen. Allen bisherigen Kriegsbegründungen und Rechtfertigungen wird durch millionenfache Abstimmungen auf den Straßen jede demokratische Legitimation entzogen. Millionen und aber Millionen demonstrieren für den Frieden durch die Straßen von New York, Washington und San Francisco, durch London, Rom, Madrid …
In Deutschland nehmen eine halbe Million Menschen an der Demo in Berlin teil.
In Baden Württemberg hat die Friedensbewegung wegen der großen Entfernung nach Berlin zu regionalen Aktionen aufgerufen.
50000 Menschen in Stuttgart, jeweils Tausende auch in Freiburg, Heilbronn, Lörrach, Ulm, Biberach, Schwäbisch Hall….
Dennoch: Am 20. März beginnt der Krieg gegen den Irak. Auch in Baden Württemberg gibt es kaum eine Stadt, in der an diesem Tag nicht spontane Versammlungen, Demos und Kundgebungen stattfinden.
Zwei Tage später am folgenden Samstag finden in den größeren Städten regionale Kundgebungen und Demonstrationen gegen den Krieg statt. In Stuttgart sind es über 30000. In Städten wie Karlsruhe, Mannheim Freiburg
Frieden braucht Bewegung!
Seit 1990 folgen immer schneller Kriege um Rohstoffe, Handelswege und Märkte aufeinander.
Die inzwischen ausgerufenen „Regime change Pläne“ in vielen Ländern, Afghanistan, Syrien und Libyen haben dort zu blutigen Kriegen und gescheiterten Staaten geführt. Anderswo zu sogenannten „Farbrevolutionen“ oder wie in der Ukraine zu offenen, ebenfalls blutigen Putschen und Bürgerkriegen. Heute sind auch zahlreiche Staaten in Lateinamerika betroffen.
Die USA im Verbund mit ihren westlichen „wertegeleiteten“ Verbündeten rufen offen zum Kampf gegen Russland und China auf, den sie nicht nur mit ökonomischen Mitteln, sondern mit ihrer weltweit führenden Militärmacht bestreiten. Die Kündigung aller wichtigen Rüstungskontrollverträge durch die USA und die absprachewidrige NATO-Osterweiterung legen Zeugnis ab für ihre expansive und aggressive Politik.
In der Ukraine, in Gaza und im Libanon aber auch anderswo toben blutige Kriege.
Immer offener wird auch die deutsche Außenpolitik militärisch und mit immer neuen Hochrüstungs- und Kriegsertüchtigungsplänen gestaltet. Immer offensichtlicher formiert sich auch in Deutschland ein neu-alter Militarismus. Die Außenministerin will „Russland ruinieren“ und deutsche Kriegsschiffe kreuzen in der Straße von Taiwan. Erneut sollen nun Erstschlagswaffen in Deutschland stationiert werden.
Die Entwicklung der letzten 60 Jahre zeigt, dass der deutsche Militarismus immer virulent und gefährlich geblieben ist. Der Kampf um Frieden wird auch in Zukunft breite Aktionen und einen langen Atem brauchen. Es ist an der Zeit, die Friedensbewegung zu stärken! Die VVN-BdA wird als Organisation in der Tradition der antifaschistischen WiderstandskämpferInnen, die damals wie heute ihren Mut, ihre Unermüdlichkeit und ihre Ideale bewahrt haben, weiterhin dazu gebraucht!