Offener Brief an den Polizeipräsidenten

geschrieben von Ilse Kestin i. A. für den Geschäftsführenden Landesvorstand

5. September 2018

Sehr geehrter Herr Polizeipräsident Lutz,

 

da von allen Seiten in der Presse und im Netz über die Ereignisse am 29. August 2018 bei der Kundgebung gegen Rassismus berichtet wird, sehen wir uns als geschäftsführender Landesvorstand der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der AntifaschistInnen) gezwungen Stellung zu nehmen.

Die VVN-BdA sieht seit ihrer Gründung 1947 ihre Aufgabe in der antifaschistischen Arbeit, im Mahnen gegen rechts, gegen Rassismus und Ausgrenzung.

Wir unterstützen alle demokratischen Bemühungen für Frieden Toleranz und Menschlichkeit, aber wir treten auch entschieden für ein Engagement gegen rechts ein!

Unsere Landesgeschäftsführerin, Frau Kluge, hat als Rednerin an der Kundgebung auf dem Marienplatz teilgenommen. Als sich im Anschluss an die Kundgebung ein (nicht angemeldeter) Demonstrationszug formierte, ging sie zunächst mit. Da sie erkennen konnte, dass die Polizei diesen Demozug aufhalten würde und sie nicht eingekesselt werden wollte, wich sie an den Rand zurück. Von dort aus hat sie die Aktionen der Demonstranten und Polizisten beobachtet.

Ein Polizeibeamter fiel durch ein besonders aggressives Verhalten auf. Sie wollte ihn darauf ansprechen und versuchen zu deeskalieren. Aber statt mit ihr über die Situation zu sprechen, ging dieser Beamte auf sie los, zog sie an den Haaren und schlug ihr ins Gesicht bis er von einem Kollegen weggezogen wurde (dies wird durch eine Reihe von Fotos belegt).

Jetzt ist es sicher richtig, dass von den Polizeikollegen Entscheidungen in Sekundenschnelle verlangt werden, es sollte aber auch dem Polizeikollegen allein beim Hinsehen klar gewesen sein, wen er vor sich hat: nämlich eine 59-jährige Frau, nicht gewalttätig, auch kaum körperlich in der Lage sich gegen einen bis zu den Zähnen bewaffneten Beamten zu stellen!

Ich erwarte von einer gut ausgebildeten Polizei, dass sie in der Lage ist, die Situation richtig zu beurteilen und einzuschätzen, auch wenn die Nerven blank liegen.

Ein Verhalten, wie es von dem Polizeikollegen an den Tag gelegt wurde, ist unentschuldbar!

Wir haben Frau Kluge geraten, Anzeige zu erstatten.

Diese Entgleisung lässt sich sicherlich nicht mit einem „Augenzwinkern“ abtun, wie kürzlich die Behinderung der Presse durch Polizeibeamte.

In einer Pressemeldung des „Schwäbischen Tagblatts“ wird Frau Kluge als Verantwortliche für die Kundgebung bezeichnet. Der Journalist beruft sich dabei auf die Pressestelle der Polizei Stuttgart. Das ist nicht richtig. Die VVN-BdA war nicht Veranstalter der Kundgebung.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ilse Kestin i. A. für den Geschäftsführenden Landesvorstand