Verbindungen kappen – reaktionäre Männerbünde zerschlagen!

8. Mai 2023

Rede der VVN-BdA Heidelberg am 30. April 2023

Am 30. April 2023 fand die antifaschistische Demonstration „Verbindungen kappen – reaktionäre Männerbünde zerschlagen!“ statt, die gegen Nationalismus, rechte Umtriebe und den Sexismus der Studentenverbindungen protestierte. Wir als VVN-BdA Heidelberg hielten bei der Zwischenkundgebung auf dem Universitätsplatz einen Redebeitrag, den wir hier veröffentlichen:

Liebe Antifaschist*innen, liebe Mitstreiter*innen,

wir freuen uns, dass wir als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschist*innen heute hier eine Rede halten dürfen. Wir möchten dabei den Blick auf die braune Geschichte der Heidelberger Studentenverbindungen und der Universität werfen.

Gerade die Korporationen hatten schon lange vor der Machtübergabe an die Nazis eine wichtige Rolle in der völkischen und faschistischen Bewegung gespielt und waren federführend im NS-Studentenbund der Weimarer Republik. In Heidelberg waren viele Verbindungsstudenten Mitglied in der NSDAP und in der SA, der Nazi-Miliz, die zu Beginn der 1930er-Jahre regelmäßig linke Veranstaltungen überfiel und die Arbeiter*innenbewegung terrorisierte. Farbentragende Korporierte im Braunhemd waren auch schon vor 1933 kein seltener Anblick in der Altstadt.

Die enge Verquickung von Studentenverbindungen und dem NS-Apparat setzte sich auch nach dem Machtantritt der NSDAP fort. Gerade hier auf dem Universitätsplatz wurde das im Mai 1933 gleich zweimal deutlich: Als die Nazis am 1. Mai 1933 den Kampftag der Arbeiter*innen als „Tag der deutschen Arbeit“ mit einem widerlichen faschistischen Spektakel vereinnahmten, hatten die Verbindungsstudenten im Vollwichs eine zentrale Position im Festzug und hier auf der großen Kundgebung auf dem Uniplatz.

Vor allem aber als die Nazis die Bücherverbrennung inszenierten, hatten einige Korporierte Schlüsselfunktionen bei der Vorbereitung und Durchführung inne, und eifrig durchkämmten die „Bundesbrüder“ zusammen mit anderen Nazi-Studierenden die Buchhandlungen und Bibliotheken nach Büchern von sozialistischen, liberalen und jüdischen Autor*innen. Hier auf dem Uniplatz wurde ein Scheiterhaufen aus diesen als „undeutsch“ gebrandmarkten Schriften errichtet.

Am 17. Mai 1933, dem Tag der Heidelberger Bücherverbrennung, formierten sich die Verbindungsstudenten, viele von ihnen im Braunhemd der SA oder in den Uniformen anderer völkischer Milizen, und reihten sich in den abendlichen Nazi-Aufmarsch ein, der mit Fackeln durch die Altstadt hierherzog. Beim Autodafé vor der Neuen Uni bekamen sie einen Ehrenplatz. Gustav Adolf Scheel, Verbindungsstudent, Mitglied der NSDAP und SA und Führer der „Deutschen Studentenschaft Heidelberg“, hielt die einleitenden Worte, gefolgt vom gemeinsamen Absingen des bekannten verbindungsstudentischen Lieds „Burschen, heraus!“ Die Hauptrede hielt Dr. Theodor Lingens, Alter Herr der Burschenschaft Frankonia und langjährig aktiver Nazi. Abschließend wurden das Horst-Wessel-Lied und das Deutschland-Lied gesungen.

Damit war die aktive Rolle der Studentenverbindungen im NS-Staat keineswegs beendet, und viele Korporierte durchlebten eine steile Karriere und hatten führende Funktionen inne.

Bis heute haben die Verbindungen ihre offene Unterstützung der Nazis und ihre aktive Beteiligung an den faschistischen Menschheitsverbrechen nicht kritisch aufgearbeitet, sondern verschweigen und vertuschen sie, und vor allem: Weiterhin sind sie ein Hort braunen Gedankenguts und rechter Ideologie. Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Sexismus sowie Militarismus und Nationalismus gehören – je nach Verbindung – zum guten Ton oder werden zumindest geduldet. Bis heute betrachten die Verbindungen ihre reaktionären Rituale und rechtes Liedgut als „Traditionspflege“ und haben beispielsweise das Deutschlandlied in allen drei Strophen weiterhin in ihren Liederbüchern. Das zeigt, wes Geistes Kind sie sind. Immer wieder versuchen sie, ihre Farben öffentlich zur Schau zu stellen, und bis in die späten 1990er-Jahre grölten sie in der Nacht zum 1. Mai regelmäßig rechte Gesänge bei einem Fackelmarsch zum Heidelberger Marktplatz. Diesen braunen Umtrieben müssen wir als Antifaschist*innen entschlossen entgegentreten und verhindern, dass sich der rechte Spuk wieder breitmachen kann.

Unser Dank gilt deshalb allen Antifaschist*innen, die heute hier ein klares Zeichen gegen Studentenverbindungen setzen und deren öffentliche Auftritte zurückdrängen – heute Nacht und das ganze Jahr hindurch.