Offener Brief an die Gemeinde Nellingen (Alb)

18. Juli 2023

In Nellingen an der Alb wurde jüngst eine als Große Linde bekannte Sehenswürdigkeit in offiziellen Reiseführern der Gemeinde zur „Hitler-Linde“ umgetauft. Die VVN-BdA Baden-Württemberg reagierte mit folgendem offenen Brief an den Gemeindebürgermeister Christoph Jung.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Christoph Jung,

vor kurzem wurden wir darauf aufmerksam, dass Ihre Gemeinde gemeinsam mit dem Schwäbischen Albverein die „Bärenpfade“ als Wander- und Radwege eingerichtet hat. Mit diesem Projekt soll Tourismus und Naturverbundenheit gefördert und den Wanderern und Radlern zugleich ein Stück Nellinger Geschichte vermittelt werden.

Mit Entsetzen mussten wir feststellen, dass die Station 32 („Große Linde“) in Großbuchstaben als „Hitler-Linde“ gekennzeichnet wurde.

Für uns als Mitglieder einer von Überlebenden und Verfolgten des Hitlerfaschismus gegründeten Vereinigung, ist dies nicht akzeptabel!

Wir kämpfen für einen bewussten Umgang mit der deutschen Geschichte und gegen das Vergessen.

Es kann nicht angehen, dass heute wieder Orte in die Tradition des Nazismus gestellt werden, anstatt auf den Widerstand dagegen aufmerksam zu machen.

Nun ist, dank der Entscheidung Ihrer Gemeinde, die bisher als „Große Linde“ bekannte Feldlinde in etlichen Reiseführern erstmalig seit 1945 wieder als „Hitler-Linde“ ausgeschildert.

Das dürfte in der BRD allerdings einmalig sein!

Dass eine Gemeinde im Jahre 2023 eine bisher unter einem unproblematischen Namen bekannte Sehenswürdigkeit nun nach einem Massenmörder benennt, grenzt an Geschichtsvergessenheit und ist inakzeptabel.

Es gilt immer noch: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Hitler soll von dieser Stelle aus Truppenbewegungen beobachtet haben. Ist es dem Gemeinderat Nellingens heute so wichtig die Nachwelt an diesen Mann, in dessen Namen Tod und Verderben über Millionen Menschen gebracht wurde, zu erinnern.

Welche Art von Tourismus erhoffen Sie sich dadurch? Soll die Große Linde und Ihre Gemeinde zu einem Pilgerort für Nazis aller Art werden?

Zu diesen Fragen bitten wir Sie um Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen
i. A. der VVN – Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg e.V.
Ilse Kestin (Landessprecherin)