Historischer Stadtrundgang zum antifaschistischen Widerstand in Walldorf
9. Februar 2024
AN24-1, Gedenken, Geschichte, Heidelberg
Über 30 Menschen nahmen am 24. November in Walldorf an einem Stadtrundgang zum lokalen Widerstand gegen das NS-Regime teil. Der Referent Andy Herrmann von der VVN Kreisvereinigung Heidelberg beleuchtete auf dem einstündigen Rundgang durch die Walldorfer Stadtmitte den antifaschistischen Widerstand zwischen 1930 und 1935.
Zeichnung von Helmut Werner: Aufmarsch der KPD vor 1933 in der Walldorfer Hauptstraße
Die Kleinstadt Walldorf galt in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg als Hochburg der Arbeiter:innenbewegung. Geprägt von Tabakanbau und -verarbeitung, aber auch von der ansässigen Metall- und Tonwarenindustrie war aus dem landwirtschaftlich geprägten Dorf eine kleine Arbeiter:innenkommune geworden. Ende der 1920er Jahre galt Walldorf als Hochburg der KPD. Dementsprechend schwer hatte es der aufkommende Faschismus vor Ort. Demonstrationen, Kundgebungen und handfeste Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nazis prägten das Bild in den Jahren 1929 bis 1933. So berichtete Herrmann beispielsweise von den Auseinandersetzungen nach der Gemeinderatswahl im August 1931. Nach Provokationen durch Anhänger der NSDAP kam es vor dem KPD-Parteilokal „Zum Stern“ in der Hauptstraße zu einer Massenschlägerei. In der Folge wurde das Haus des NSDAP-Ortsgruppenleiters belagert und die Hakenkreuzfahne vom frisch gestellten Gemeinderatsbaum geholt. Mehrere Nazis wurden durch Steinwürfe und Messerstiche verletzt. Erst die Gendarmerie konnte die Situation beruhigen. Auch nach der Machtübergabe kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Antifaschisten und Nazis. Nachdem es im Juni 1933 im benachbarten Sandhausen zu einer Schlägerei zwischen Mitgliedern der Walldorfer Feuerwehrkapelle und Walldorfer SA-Angehörigen gekommen war, holten die Nazis zu einem brutalen Repressionsschlag aus. Am Folgetag verschleppten SS-Trupps 13 Walldorfer Kommunisten in den Hof eines örtlichen Hotels und ließen diese Spießrutenlaufen. Die Nazis schlugen mit Schaufelstielen, Gummiknüppeln und Stahlruten auf ihre Opfer ein. Das Blut lief bis auf die Straße, so dass der gesamten Bevölkerung die Brutalität der neuen Machthaber gewahr wurde. Im Jahr 1934 war eine Widerstandszelle aus Walldorf an der Herstellung antifaschistischer Flugblätter beteiligt. Ausgehend vom KPD-Unterbezirk Heidelberg war die Produktion und Verbreitung organisiert worden. Nachdem drei Flugblätter in Umlauf gebracht werden konnten, kam das vierte nicht mehr zur Verteilung. Der Bruder eines lokalen Antifaschisten hatte diesen denunziert. Es kam zu einer Verhaftungswelle und im März 1935 zum Prozess wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“. In der Folge wurden elf Männer, darunter vier aus Walldorf, zu Haftstrafen zwischen einem Jahr und zehn Monaten und drei Jahren verurteilt. Nach diesem Repressionsschlag waren viele politische Gegner:innen eingeschüchtert. Der Widerstand vor Ort konnte aufgrund weiterer Repressalien wie Meldeauflagen, Berufsverboten und KZ-Haft nicht reaktiviert werden.
Der Stadtrundgang wurde getragen von der VVN-Kreisvereinigung Heidelberg und der Vereinigung Walldorfer Heimatfreunde 1965 e.V., einem lokalen Geschichtsverein, der unter anderem das Museum im Astorhaus betreibt. Alle, die sich tiefer mit diesen lokalen Beispielen befassen möchten, sei das Buch von Andy Herrmann „Walldorf im Nationalsozialismus – Gleichschaltung, Verfolgung, Widerstand in einer nordbadischen Kleinstadt“ ans Herz gelegt. Das reich bebilderte Werk ist im November 2023 im Verlag Regionalkultur erschienen und für 19,90 Euro im Buchhandel oder beim Verlag erhältlich (ISBN 978-3-95505-430-4).