Sind Frieden und Abrüstung noch gefragt?

geschrieben von Bernhard Mainz

19. April 2024

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Auch bei Kommunal- und Europawahlen eine wichtige Sache

Grafik: DIE LINKE

Wir leben in einer neuen Epoche der kriegerischen Auseinandersetzungen und weltweiter Aufrüstung. Gaza und Ukraine sind dabei nur die neuen aktuellen Kriege. Viele Konflikte werden von uns schon gar nicht mehr wahrgenommen, weil sie seit vielen Jahren vorhanden sind.

Aber welche Rolle spielt das bei den bevorstehenden Europa- und Kommunalwahlen am 09. Juni 2024?

Kommunalwahlen sind das Herzstück der Mitbestimmung: Mit ihnen wird eine demokratische Auswahl getroffen. Dadurch erhalten die politischen Handlungsträgerinnen und -träger und deren Entscheidungen ihre Legitimation.

Seit einiger Zeit gibt es viele Äußerungen von Politikern, dass zum Beispiel das Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden verdoppelt bzw. verdreifach werden müsste. So sagte „Kriegsminister“ Boris Pistorius: „Mit Hilfe dieses Sondervermögens kommen wir in diesem Jahr auf über 73 Milliarden Euro, insgesamt Ausgaben für Rüstung. Das ist der höchste Betrag, den es jemals gab. Und er wird weiter steigen müssen, das wissen alle.“ Außenministerin Annalena Baerbock fordert eine Erhöhung des Sondervermögens. Dass dieses sogenannte Sondervermögen nicht vom Himmel fällt, sondern dass damit gezielte Kürzungen im sozialen Bereich einhergehen, ist schon klar. Auch die Aussage von Boris Pistorius, dass die Bundeswehr wieder kriegstüchtig werden muss, zeigt uns was er im Sinn hat.

Aus einer Anfrage der Linken im Bundestag wurde bekannt, dass Deutschland im Jahr 2022 ca. 131 Millionen Euro für die stationierten NATO-Soldaten zahlt (z.B. Gebäudeinstandsetzungen, Entschädigung für frühere ziv. Beschäftigte). Dieser Beitrag ist nicht im Sondervermögen enthalten.

Gleichzeitig wird auch eine Diskussion entfacht, damit die Bundeswehr wieder zum gewohnten Bestandteil im Staat wird und die Akzeptanz auf breiten Beinen in der Bevölkerung sich festigt. Dazu gehört die Aussage, dass eine Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte. Somit müsste jeder junge Bundesbürger sich mit dem Thema beschäftigen. Zusätzlich würde dadurch eine „stille“ breite Masse an Soldaten existent werden. Das bedeutet, dass im „Kriegsfall“ die Bundeswehr auf deutlich mehr Kanonenfutter zugreifen kann.

Akzeptanz und Nähe zur Bevölkerung wird aber auch durch die Patenschaften zwischen Kompanien und Kommunen geschaffen.

Die Kompanien des in Veitshöchheim neu aufgestellten Fernmeldebataillons 10 freuen sich über die Neubegründung und Fortführung bestehender Patenschaften. Mit vier unterfränkischen Kommunen steht der Verband der 10. Panzerdivision in engen Kontakt. [Die Bundeswehr]

Öffentliche Gelöbnisse, Klassenausflüge in Kasernen, die Möglichkeit Poster von Kriegswaffen über die Bundeswehr-Homepage zu bestellen und der Auftritt der Bundeswehr auf der Gamescom sind weitere Werbemöglichkeiten und der Aufbau zur Bürgernähe. In Baden-Württemberg gibt es ein Werbeverbot für die Bundeswehr an Schulen. Jugendoffiziere können aber auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung aus dem Jahr 2014 mit Einverständnis der Schule über sicherheitspolitische Fragen informieren.

Gegen Gegner der Bundeswehr-Werbung geht man dafür nicht zimperlich um. So wurde bei einer Studentin in Berlin, bei ihren Eltern und ihrer Freundin Hausdurchsuchungen durchgeführt, nachdem sie ein Werbeplakat der Bundeswehr manipuliert hatte. Im Nachhinein hat das Bundesverfassungsgericht die Hausdurchsuchungen für rechtswidrig und unverhältnismäßig erklärt. Allerdings war der Schaden schon angerichtet.    

Auch auf europäischer Ebene geschieht das Gleiche. Reaktionäre Bewegungen sind an vielen Orten auf dem Vormarsch. Die Bedrohung durch den Autoritarismus ist auch in Europa real. Die Gefahr und Angst vor einem Krieg und vor einer atomaren Eskalation waren seit Jahrzenten nicht so groß wie heute in Europa. Das macht deutlich: Eine hochgerüstete Welt braucht internationale Verhandlungsformate und eine neue Sicherheits- und Entspannungspolitik. Doch trägt die EU leider allzu oft zur Eskalation bei und ist Teil des Machtkampfs großer Mächte der Wirtschaft, die in verhärteter Konkurrenz zueinanderstehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat erklärt, dass „wir“ eintreten in eine „Ära regionaler Rivalitäten und großer Mächte, die ihr Verhältnis zueinander neu austarieren“. Deswegen möchte sie die EU zu einem Player im globalen Kampf um die Vorherrschaft aufbauen. Damit steht sie stellvertretend für Regierende und führende Kapitalfraktionen in der EU, die auf wirtschaftliche so wie militärische Konfrontation orientieren. Die Handlungen der EU auf der ganzen Welt zeugen von dem Bestreben, wirtschaftliche Einflusssphären und Absatzmärkte zu sichern. Allein in den letzten Jahren wurden die Rüstungsausgaben der europäischen NATO-Mitgliedstaaten von 235 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 310 Milliarden Euro im Jahr 2022 erhöht. Der 2017 geschaffene Europäische Verteidigungsfonds soll den Weg zu einer europäischen Armee ebnen. Er soll mit Milliarden ausgestattet werden. Mit dem „strategischen Kompass“, der auf dem EU-Gipfel im März 2022 verabschiedet wurde, werden rüstungspolitische Vorgaben gemacht, um die EU als zentralen imperialen Akteur in Zeiten einer „Rückkehr der Machtpolitik“ in Stellung zu bringen. Diese Version einer „strategischen Autonomie“ nutzt nicht zuletzt den europäischen Rüstungskonzernen und treibt Europa weiter hinein in Blockkonfrontation und Wettrüsten.

Dafür wurden diverse Instrumente ausgebaut oder neu geschaffen: Die Europäische Friedensfazilität (EFF) ist zu einem wichtigen Topf geworden, um Waffenlieferungen zu finanzieren. Ihr Budget wurde von 5,7 Milliarden Euro auf – vorläufig – 12 Milliarden Euro erhöht. Außerdem fördert das im September 2023 vom EU-Parlament beschlossene „Instrument zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung“ (EDIRPA) den länderübergreifenden Ankauf von Rüstungsgütern mit vorerst 300 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt. Damit ist die Zivilmacht Europa einen weiten Weg gegangen: Die Forschung und Entwicklung von Rüstungsgütern, der Einkauf und die Produktion, alles wird inzwischen über den EU-Haushalt mitfinanziert. Der gegenwärtige Krieg ist ein Riesengeschäft für die Rüstungsindustrie.

Bereits in 1950 Jahren wurde schon vorgeschlagen eine Europaarmee unter Führung eines Europa-Verteidigungsministers zu schaffen. Diese Idee kommt jetzt wieder deutlich hoch und wird von vielen befürwortet. Dabei gibt es schon jetzt eine breite Zusammenarbeit der einzelnen Länder der EU auf militärischer Basis. Dies zeigt deutlich die aggressive Politik der EU nach Ausweitung ihrer wirtschaftlichen Machtstellung in der Welt.

Wir müssen uns einsetzen für eine Welt des Friedens und der Solidarität. Wir kämpfen für

  • Abrüstung in allen Bereichen
  • Beendigung aller Kriegshandlungen
  • Verhandlungen statt militärische Konfliktlösung
  • Soziale Gerechtigkeit für alle Menschen
  • Menschenrechte einhalten statt Kräfteverhältnisse ausbauen

Bei den Kommunal- und Europawahlen sind diese Aspekte genauso zu beachten wie bei den Bundestagswahlen. Welche Parteien vertreten unsere Leitlinien? Welche Parteien stehen für Frieden und nicht für militärische Auseinandersetzungen und Krieg?

Die AFD lehnt zwar eine europäische Armee ab, will jedoch mit einer eigenen stärkeren Streitkraft die amerikanischen Streitkräfte auf deutschem Boden ablösen. Sie ist für eine Stärkung der Bundeswehr auf personeller und technischer Art. Dazu gehört die Wiedereinführung der Wehrpflicht und eine Aufstockung des Wehretats. Zeitgleich soll die Rüstungsindustrie stärker ausgebaut werden in Deutschland.

Die CDU ist für eine europäische Streitkraft und für den Ausbau der Firma FRONTEX zur starken Grenzpolizei. Die CDU möchte, dass sich die EU zur NATO bekennt. Sie möchte die Wettbewerbsfähigkeit sichern und ausbauen. Die Freundschaft zu Nordamerika soll nach der CDU neu belebt werden.

Die FDP tritt ein für die Stärkung von FRONTEX und Sicherung der EU-Außengrenzen. Sie möchte, dass nur „kluge Köpfe“ einreisen können für den Arbeitsmarkt. Die Ausweitung des NATO-Raumes ist auch ein Ziel der FDP. Auch sie möchte eine europäische Streitkraft schaffen. Ihr Ziel ist, dass der europäische Verteidigungsfond ausgebaut wird, um eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung zu sichern.

Die Grünen sind für eine europäische Entwicklung, Anschaffung und Nutzung von Waffensystemen. Sie wollen „zivile“ Missionen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik als Instrument der EU-Außenpolitik durch mehr finanzielle Ressourcen und Personal stärken, um zum Beispiel die Polizei oder das Justizwesen in fragilen Staaten zu unterstützen.

Die Linke ist gegen eine europäische Armee und für die Auflösung des europäischen Verteidigungsfonds. Sie ist gegen die Aufrüstungsverpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten. Sie fordert einen Beitritt der EU in dem Atomwaffenverbotsvertrag. Die Schließung der US-Militärbasen in Europa ist ebenso ihr Ziel.

Die SPD ist für ein Europa als starke Friedensmacht auf der Welt. Dazu hat sie die Vision einer europäischen Armee im Auge. Das Sondervermögen für die Bundeswehr war ein Ziel und die nachhaltige Verteidigungsfinanzierung von mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind Kernpunkte der SPD.

Die Art der Friedenspolitik innerhalb der Parteien wird nicht von jedem Parteimitglied so getragen, wie es hier wiedergegeben ist. Es gibt viele Parteimitglieder, die sich eine andere Friedenspolitik Ihrer Partei wünschen. Wir müssen sie unterstützen und auf die Parteien einwirken. Gemäß dem Schwur von Buchenwald: „…. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“ werden wir unsere Ziele verfolgen und dafür streiten.

„Ich würde Ihnen gerne in wenigen Sätzen sagen, was ich über den Krieg denke, aber ich kann es nicht. Ich glaube, es gibt auf der ganzen Welt keinen Grund für einen Krieg, denken Sie, was Sie wollen. Dies wird kein Krieg an der Front sein. Es wird ein Krieg gegen Frauen und Kinder sein.“
– Erich Maria Remarque, 1939 –