Antifaschistische Arbeit in Zeiten des Rechtsrucks
1. August 2024
AN24-3, EU-Wahlen, Frieden, Sozialpolitik
Der Vormarsch der Rechten konnte bei den EU-Wahlen nicht gestoppt werden. In fast ganz Europa waren rechte, rechtspopulistische und postfaschistische Parteien Wahlgewinner. In Frankreich wurde Marine Le Pens Rassemblement National (RN) mit 31,5% stärkste Kraft; Staatspräsident Emmanuel Macron löste deswegen das Parlament auf und setzte Neuwahlen an. In Österreich erhielt die FPÖ ebenfalls die meisten Stimmen. In Italien erreichte Giorgia Meloni mit ihrer „Fratelli d’Italia“ 30%. Zusammen mit Lega (9%) und Forza Italia (9%) wird die faschistische Regierung von einer satten Mehrheit von zwei Dritteln der italienischen Wähler*innen unterstützt. Lediglich in Schweden und Finnland gelang es, den Stimmanteil rechter Parteien zurückzudrängen.
In Deutschland erlitt die Regierungskoalition, insbesondere SPD und Grüne, eine heftige Wahlschlappe. Die SPD fiel auf 13,9% zurück und die Grünen stürzten von 20,5% auf 11,9% ab. Die FDP konnte sich mit 5,2% gerade noch über der 5-Prozent-Marke halten. In Wahlbefragungen gaben 76 Prozent an, mit der Politik der Bundesregierung weniger oder gar nicht zufrieden zu sein; dies erklärt den Absturz der Regierungsparteien. Leichte Zuwächse gab es für die konservative Opposition, die CDU wurde mit 30% stärkste Partei.
Die Opposition von links stürzte ab. Die Linke halbierte ihre Stimmenzahl auf nur noch 2,7% und landete auch in vier ostdeutschen Bundesländern unter 5%. Dagegen erzielte die neue Partei BSW aus dem Stand 6%, in den östlichen Bundesländern rund 13%.
Wie zu befürchten war, konnte die AfD deutlich zulegen und erzielte mit 15,9% ihr bisher bestes Ergebnis bei bundesweiten Wahlen. Sie wurde zweitstärkste, in den östlichen Bundesländern sogar stärkste Partei, mit gravierenden Auswirkungen im Blick auf die Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Die großen Demonstrationen gegen die AfD und auch deren eigene Fehler im Wahlkampf konnten nicht verhindern, dass sie überall ihren Einfluss weiter ausbauen konnte. Auch in Baden-Württemberg wurde sie mit 14,7% zweitstärkste Partei. In vielen Städten und Gemeinden kam sie auf über 20%, teilweise fast 30%. Nur in einigen Groß- und Universitätsstädten liegt sie noch unter 10%. Bei den Kommunalwahlen hat die AfD mangels geeigneter Personen ihr Potential nicht ausgeschöpft. Sie konnte aber fast überall dort, wo sie antrat, ihre Stimmergebnisse stark verbessern und wird nun mit einer Vielzahl von Abgeordneten in zahlreichen Gemeinderäten und Kreistagen rechte Politik und rassistische Hetze verbreiten.
Mit dem Ausgang der Wahlen haben sich konservativ-rechte Mehrheiten etabliert. Die Wiederwahl Ursula von der Leyens ist gesichert und damit die Fortsetzung der bisherigen Politik. In Deutschland standen für viele Wähler*innen die Themen soziale Sicherheit und Frieden an erster Stelle, trotzdem stimmten drei Viertel für Parteien, die für Sozialabbau, Unterstützung des Kriegskurses und harte Politik gegen Geflüchtete stehen. Forcierte Aufrüstung und Militarisierung, auch im Innern, Abwälzung der Krisenlasten nach unten und Zusammenarbeit mit der AfD in deutschen Parlamenten ist zu befürchten.
Wer wählte die AfD und warum?
In Befragungen äußerten 50% der Wahlberechtigten sich besorgt, ob sie ihren Lebensstandard halten können. Besonders stark war dies bei Anhänger*innen der AfD (78%) der Fall. 34% derjenigen, die ihre eigene wirtschaftliche Lage als weniger gut oder schlecht bezeichneten wählten AfD (15% mehr als bei der Bundestagswahl) Ebenso 34 % derjenigen, die sich selbst als Arbeiter*in bezeichneten (+11%).
Dies weist auf vorhandene Widersprüche in der Wählerschaft der AfD hin: Einerseits wird die AfD etwa zur Hälfte aus Enttäuschung und als vermeintliche Oppositionspartei gewählt, der Protest geht aber nach rechts. Ein wachsender Anteil wählt sie inzwischen trotz (oder gerade auch wegen) ihrer menschenfeindlichen Positionen und demagogischen Friedens- und Sozialpolitik. Massenmobilisierung und Großkundgebungen haben nicht ausgereicht, um den Einfluss der AfD zurückzudrängen.
Erschreckend ist der Zuspruch für die AfD von Jungwähler*innen unter 25 Jahren – 17 % von ihnen wählten die AfD und sogar 22% der jungen Männer. Überhaupt geben deutlich mehr Männer (20%) als Frauen ihre Stimme der AfD (13%). Mögliche Ursachen liegen wohl darin, dass auch bei ihnen die Sorgen um ihre (wirtschaftliche) Zukunft im Vordergrund stehen, sowie Enttäuschungen über die anhaltende Misere in der Bildungspolitik.
Die weitere Rechtsentwicklung stoppen
Trotz der breiten Mobilisierung gegen rechts ist es nicht gelungen demokratische und soziale Alternativen an enttäuschte Wähler*innen zu vermitteln. Im Kampf gegen den wachsenden Einfluss von AfD und anderen rechten Kräften reicht es nicht aus, nur mit vagen Begriffen und Losungen wie „Gegen rechts“ oder „Keine Stimme für die AfD“ zu mobilisieren. Antifaschist*innen müssen positive Alternativen deutlich machen und für diese auf der Straße, im Betrieb und im persönlichen Umfeld eintreten. Dazu zählt, dass wir glaubhaft für soziale Gerechtigkeit eintreten und für eine solidarische Politik, die niemand ausgrenzt, für ein demokratisches und friedliches Europa. Glaubwürdig sind wir aber nur dann, wenn dabei die Auseinandersetzung mit der herrschenden Regierungspolitik nicht ausgeklammert wird.
Der Kampf gegen Rechte und rechte Mehrheiten in Parlamenten muss auf der Straße fortgeführt und verstärkt werden. Die VVN-BdA ist Teil breiter Bündnisse, die gegen Veranstaltungen und Versammlungen von AfD und anderen Rechten mobilisieren.
Dringend notwendig ist es, Solidarität zu organisieren und praktische Unterstützung für die antifaschistischen Kräfte zu leisten, die schon jetzt unter rechten Mehrheiten arbeiten müssen. Nach den Kommunalwahlen in einigen östlichen Bundesländern gibt es in vielen Städten und Gemeinden jetzt schon solche Mehrheiten.
Vor diesem Hintergrund müssen wir auch für den Erhalt von Gedenkstätten und die Inhalte der antifaschistischen Erinnerungskultur mobilisieren. Geschichtsrevisionistische Vorstöße zur Umschreibung der Geschichte gibt es schon seit längerem. Im Zusammenhang mit dem Antikriegstag und vor allem dem Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg am 8.Mai 2025 werden diese sicher noch verstärkt. Antifaschistische Argumente, mobilisierende Aktionsformen und die Schaffung von breiten Bündnissen werden notwendig. Aus ihrer Geschichte kann die VVN-BdA auch bei diesen Auseinandersetzungen wertvolle Erfahrungen für den Kampf gegen rechts beitragen.