Kein Knoten für Zetkin!

geschrieben von Anthony N. Cipriano

23. Februar 2023

Aktionsbündnis kritisiert Knotenverleihung der Geschichtskommission zur Überprüfung der Tübinger Straßennamen

Bild: keinknoten.wordpress.com

Tübingen. Derzeit werden an den Trägerpfosten einiger Tübinger Straßennamen sehr prägnante Knoten geknüpft. Diese sollen die Benennung der Straßen in den öffentlichen Diskurs bringen. Grundlage für die Kennzeichnung bildet die Einschätzung der Geschichtskommission zur Überprüfung der Tübinger Straßennamen, welche als Expertenkommission dazu dienen solle dem Gemeinderat und den Ortschaftsräten eine Handlungsempfehlung für die Umbenennung Tübinger Straßen vorzulegen.
Die Stadt Tübingen behauptet auf ihrer Website derzeit kontrovers über die Benennung von Straßen zu diskutieren, deren Namensgeber umstritten sind – weil sie biografisch im Zusammenhang mit Antisemitismus oder Kolonialismus stehen, weil sie Mittäter oder Profiteure des NS-Regimes waren oder weil sie aus anderen Gründen heutigen gesellschaftlichen, ethischen oder politischen Maßstäben nicht mehr genügen. Während aber korrekterweise nach den oben angeführten Mittätern und Profiteuren des NS-Regimes benannte Straßen öffentlich durch einen Knoten gekennzeichnet werden, so war es auch Entscheidung der Tübinger Geschichtskommission so einen auch an die Antifaschistin, Kommunistin, Frauenrechtlerin und Antimilitaristin Clara Zetkin zu vergeben.

Diese Entscheidung ist historisch untragbar und unbegründbar. Deswegen möchte das im Zuge dieser Ächtung einer weltberühmten Antifaschistin entstandene Aktionsbündnis “Kein Knoten für Zetkin” (zu finden unter “keinknoten.wordpress.com”) diese Entscheidung nicht einfach so hinnehmen und fordert gegenüber der Geschichtskommission diese Fehleinschätzung zu überdenken, gegenüber dem Gemeinderat sich dieser Brandmarkung zu widersetzen. Zu den Unterstützern dieses Bündnisses gehört neben der Clara-Zetkin-Gedenkstätte Birkenwerder, dem Waldheim Clara-Zetkin-Haus Stuttgart, der deutsch-französischen Journalistin und Frauenrechtlerin Dr. Florence Hervé sowie der Gesellschaft Kultur des Friedens und der Tübinger Linken selbstverständlich auch unsere Tübinger Kreisvereinigung, die VVN-BdA Kreisvereinigung Tübingen-Mössingen.

Die Tübinger Linke e.V. und Die Linke Kreisverband Tübingen kristallisierten in einer kurzen Stellungnahme heraus, weshalb es sich bei Zetkin keineswegs um eine Demokratiefeindin handelte und zeichnete die wesentlichen Meilensteine ihrer politischen Aktivität sorgfältig nach: “Clara Zetkin war nicht nur führende Vertreterin der sozialdemokratischen Frauenbewegung, sondern insbesondere auch Vorkämpferin für die Einführung des Frauenwahlrechts als zentralem Ziel des von ihr begründeten und bis heute begangenen internationalen Frauentags. Clara Zetkin wird daher von der Landeszentrale für Politische Bildung zu Recht als Wegbereiterin der Demokratie im Südwesten angeführt.”
Auch das Waldheim Clara Zetkin meldete sich zu Wort und betonte vor allem das antimilitaristische Engagement Zetkins zur Zeit des Ersten Weltkrieges sowie ihr frühes Erkennen der Gefahren des sich formierenden faschistischen Lagers im Nachkriegseuropa: “Immer wieder warnte sie bei allen Gelegenheiten vor dem Faschismus. Ihre letzte große Rede hielt sie als Alterspräsidentin am 30. August 1932 bei der konstituierenden Sitzung des Reichstags. Auch hier warnte sie eindringlich vor der Gefahr des Faschismus.”

Zwar konnte die IG Metall noch nicht als Mitglied des Aktionsbündnisses gewonnen werden, zu einer sehr klaren Stellungnahme war sie aber dennoch bereit: “Die IG Metall Reutlingen-Tübingen fordert die Streichung der Clara-Zetkin-Straße von der Liste kritisierter Straßennamen der Universitätsstadt Tübingen. Clara Zetkin gilt bis heute als eine der bedeutendsten Vertreterinnen der proletarischen Frauen- und der Arbeiterbewegung.”

Als VVN-BdA Baden-Württemberg unterstützen wir dieses Anliegen und sagen in aller Deutlichkeit, dass jedwede Gleichstellung von Antifaschistinnen und Antifaschisten mit den Verbrechern und Profiteuren des Naziregimes eine untragbare und überaus gefährliche Form des Geschichtsrevisionismus darstellt. Die Clara-Zetkin-Straße muss bleiben – und darf auch unter heutigen gesellschaftlichen, ethischen oder politischen Maßstäben nicht als angeblich fragwürdig eingestuft und gebrandmarkt werden.