Jens Rüggeberg: Rede zur Antikriegskundgebung in Tübungen

27. Februar 2023

Antikriegskundgebung am Samstag, 25.2.2023, 12.05 Uhr, Tübingen, Holzmarkt

Jens Rüggeberg für die VVN-BdA Tübingen-Mössingen

Wir haben wieder Krieg in Europa. Die Zahl der Toten bisher kennen wir nicht, aber 200.000 können es sein. Millionen sind auf der Flucht. Zumindest die Ostukraine liegt in Trümmern. Die Chance, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, war im Frühjahr 2022 groß, wurde aber vertan. Die westlichen Staaten wollten keine Beendigung des Krieges. Stattdessen liefern sie immer mehr und immer wirkungsvollere Waffen ins Kriegsgebiet.

Der Krieg wird von allen Beteiligten mit den Erfahrungen aus dem Faschismus gerechtfertigt. Da müssen wir als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ganz klar widersprechen:

Die russische Führung gab als Ziel ihres Einmarsches in die Ukraine unter anderem deren Denazifizierung an. In der Tat gibt es in der Ukraine inzwischen überall Bandera-Denkmäler. Bandera war ein Nazi-Kollaborateur. Seine Anhänger wirkten aktiv am Holocaust mit. Die Verehrung dieses Faschisten gehört inzwischen zur ukrainischen Staatsräson. Der langjährige ukrainische Botschafter in Berlin, Melnyk, war auch ein Bandera-Fan. Armee und Sicherheitsapparat in der Ukraine sind im Übrigen von Neonazis durchsetzt. Aber all das kann den russischen Angriff auf die Ukraine nicht rechtfertigen. Ein Regime-Change ist immer völkerrechtswidrig. Was wir als Friedensbewegung in Sachen Jugoslawien, Irak, Afghanistan und Syrien ablehnten, lehnen wir auch jetzt ab, im Falle der Ukraine. Hinzukommt, dass die russische Führung am allerwenigsten das Recht hat, faschistische Tendenzen in der Ukraine zu kritisieren, lässt sie sich doch von großrussisch-chauvinistischen Ideologien leiten, deren Bezüge auf das neunzehnte Jahrhundert und das Zarenreich offensichtlich sind – als ob es die Sowjetunion niemals gegeben hätte.

Die NATO-Staaten berufen sich ebenfalls auf Erfahrungen aus dem und mit dem deutschen Faschismus. Sie erklären, das autokratische russische Regierungssystem müsse beseitigt und der russische Präsident abgesetzt und vor Gericht gestellt werden. Das Ziel der NATO-Staaten ist ebenfalls Regime-Change. Nur eben in Russland. Das macht die Sache nicht besser. Auch das lehnen wir ab. Obwohl wir die russische Regierung nicht gerade sympathisch finden – die ukrainische übrigens auch nicht. Die NATO-Staaten argumentieren, man müsse Putin entgegentreten, damit er nicht weitere Länder überfalle, so etwas wie das Münchener Abkommen 1938 dürfe sich nicht wiederholen. Deshalb dürfe man mit ihm auch nicht verhandeln. Er müsse besiegt und die Ukraine „befreit“ werden. Aber Putin ist nicht Hitler, genauso wenig wie damals Saddam Hussein. Wer Putin (oder Saddam Hussein) mit Hitler gleichsetzt, verharmlost die Nazis und ihre Verbrechen.

Der Krieg muss beendet werden! Sofort! Hoffentlich haben die brasilianische bzw. jetzt die chinesische Friedensinitiative Erfolg! Keine Waffenlieferungen an die Ukraine! Sie verlängern den Krieg, die Zerstörungen, das Leid. Auch die Sanktionen gegen Russland müssen beendet werden. Sie helfen weder den Menschen in der Ukraine noch den Menschen hier. Es ist ein Stellvertreterkrieg, den der Westen führt, die Ukraine führt ihn für den Westen, mit den Waffen, die der Westen liefert, denn die NATO-Staaten können den Krieg nicht selbst führen, weil Russland Atomwaffen hat und gegen sie einsetzen könnte. Am Ende wird Russland ausgeblutet und die Ukraine komplett zerstört und entvölkert sein. So sieht „wertebasierte Außenpolitik“ à la Baerbock aus. So sieht eine Außenpolitik aus, die wir ablehnen. Schluss damit!