Ein neuer Blick auf historische Gebäude
29. Oktober 2024
AN24-4, Geschichte, Heidelberg
Antifaschistische Stadtrundgänge durch Heidelberg und Walldorf
Seit Jahrzehnten führen wir als VVN-BdA Heidelberg antifaschistische Stadtrundgänge durch, die ein breites Spektrum an Interessierten ansprechen. Anhand von unterschiedlichen Modellen in Heidelberg und Walldorf wollen wir das Konzept vorstellen.
Am häufigsten bieten wir den Rundgang „Heidelberg im Nationalsozialismus – Verfolgung und Widerstand“ durch die Heidelberger Altstadt an. Indem wir ihn in Kooperation mit anderen Gruppen – der Antifaschistischen Initiative, der Stolperstein-Initiative oder gewerkschaftlichen Strukturen – organisieren, erreichen wir verschiedene Zielgruppen. Manchmal findet er im Rahmen von Veranstaltungsreihen wie den „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ oder als Teil des „Kritischen Semesterstarts“ statt.
Sowohl für langjährige Heidelberger*innen als auch für neu zugezogene Studierende bietet der über zweistündige Spaziergang neue Perspektiven auf die historischen Gebäude und ist eine willkommene Abwechslung zu Saalveranstaltungen. Laminierte Fotos und Dokumente machen die damaligen Abläufe plastischer.
Die insgesamt acht Stationen gehen tendenziell chronologisch vor: Der Auftakt widmet sich dem frühen Aufstieg der Nazi-Bewegung in Heidelberg anhand der antisemitischen Hetzkampagnen gegen den sozialistisch-pazifistischen Mathematiker Emil Julius Gumbel in der Weimarer Republik. Die nächste Station am Haus des „Vereins Deutscher Studenten“ geht auf die Rolle der Studentenverbindungen ein, die maßgeblich zum Erstarken der völkischen Kräfte beitrugen.
Nach einem Zwischenstopp am Universitätsplatz, der die „Säuberung“ der Hochschule und die Bücherverbrennung im Frühjahr 1933 anspricht, geht es zum Gefängnis „Fauler Pelz“. Hier stehen die frühen Massenverhaftungen gegen Kommunist*innen ab März 1933 im Mittelpunkt, denen später Repressionsschläge gegen Gewerkschaften und SPD folgten.
Der fünfte Halt am Marktplatz thematisiert den frühen Widerstand, wobei neben der sozialdemokratischen „Rechberg“-Gruppe vor allem die Kommunist*innen prägend waren. Nachdem der KPD-Unterbezirk Heidelberg im Sommer 1934 von einer Verhaftungswelle im Umland getroffen wurde, konzentrierte sich der Widerstand auf die Altstadt, bis die Gestapo im Herbst 1936 die Strukturen weitgehend zerschlug.
Am Synagogenplatz wird an die Verfolgung aus „rassischen Gründen“ erinnert: Zunächst werden die systematische Vertreibung der in der Altstadt lebenden Sinti und die späteren Deportationen angesprochen. Die Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, die Novemberpogrome 1938, bei denen auch die Heidelberger Synagogen angezündet wurden, und die Massendeportation am 22. Oktober 1940 bilden den zweiten Teil der Station.
Vor dem Wohnhaus des 1943 hingerichteten Kommunisten Heinrich Fehrentz wird nicht nur seine antifaschistische Aktivität vorgestellt, sondern auch andere spätere Widerstandskämpfer*innen aus der Arbeiter*innenbewegung: Drei Heidelberger*innen waren Teil der „Vorbote“-Gruppe um Georg Lechleiter und wurden 1942 bzw. 1943 von den Nazis hingerichtet.
Den Abschluss bildet ein Besuch an der Heiliggeistkirche. Der dortige Pfarrer Hermann Maas und seine Mitstreiterin Elisabeth von Thadden sind bekannte Beispiele des christlichen Widerstands. Mit Blick auf das gegenüberliegende Rathaus werden zudem die Nachkriegskarrieren hochkarätiger Nazis geschildert. Typisch dafür ist die Laufbahn von Carl Neinhaus, der in der Weimarer Republik, der NS-Zeit und – nun mit CDU-Parteibuch – in der frühen Bundesrepublik Oberbürgermeister war, während viele NS-Verfolgte weiter ausgegrenzt wurden.
Aber die Rundgänge sind nicht nur in Heidelberg beliebt, sondern auch in anderen Orten der Kreisvereinigung. In Walldorf veranstalten wir seit 2018 gemeinsam mit der „Vereinigung Walldorfer Heimatfreunde“, die Geschichtsarbeit leistet und das dortige Museum betreibt, antifaschistische Stadtrundgänge unter dem Titel „Walldorf im Nationalsozialismus – Gleichschaltung, Verfolgung, Widerstand“.
Dabei setzen wir unterschiedliche Schwerpunkte: Eine allgemein gehaltene, rund zweistündige Tour durch die Walldorfer Stadtmitte widmet sich unterschiedlichen Aspekten der Zeit zwischen 1929 und 1945. An historischen Gebäuden und Plätzen wie der ehemaligen Synagoge oder dem Alten Rathaus werden jeweils passende Themen angesprochen. Hierbei geht es sowohl um den Aufstieg der Nazis in der damals rund 4600 Einwohner*innen zählenden Kommune wie auch um die „Gleichschaltung“ in Verwaltung, Schule und im Alltagsleben. Ein weiterer Fokus liegt auf der Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Einwohner*innen sowie der politischen Gegner*innen der Nazis. Der Blick auf den lokalen Widerstand gegen das NS-Regime rundet den Spaziergang ab.
Eine Variante des Rundgangs setzt den Schwerpunkt auf die „Gleichschaltung der Jugend“. Wie organisierten die NS-Machthaber die so genannte Gleichschaltung von Kindern und Jugendlichen? Wie zeigte sich die NS-Ideologie in Schule und Erziehung? Welchen Einfluss nahm die NSDAP auf Freizeitgestaltung und Vereinsleben? Welchen Stellenwert hatte die „Hitlerjugend“ im Ort? Diese Fragen werden an früheren Vereinsgaststätten, auf dem Marktplatz (der unter anderem der „Hitlerjugend“ als Aufmarschort diente) und an der früheren Volksschule beantwortet.
Der rund eineinhalbstündige Spaziergang zum Themenkomplex „Widerstand“ beleuchtet die lokalen antifaschistischen Aktivitäten zwischen 1930 und 1935 an historischen Schauplätzen wie zum Beispiel den Wohnhäusern von Widerstandskämpfern. Walldorf galt in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg als Hochburg der Arbeiter*innenbewegung. Entsprechend schwer hatte es der aufkommende Faschismus vor Ort, da den Nazis starke KPD-Strukturen gegenüberstanden. Demonstrationen, Kundgebungen und handfeste Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und NSDAP-Anhängern prägten das Bild in den Jahren 1929 bis 1933. An lokalen Beispielen wird der Widerstand aus den Reihen der Arbeiter*innenschaft gegen die Nazis vor 1933 und während des NS-Regimes beleuchtet.