Der Antikriegstag in Stuttgart
29. Oktober 2024
Licht und Schatten.
Eingeladen hatten die VVN und der DGB Kreis Stuttgart. Gekommen waren nicht nur „die üblichen Verdächtigen“ der Linken- und Friedensbewegung. Wir waren wieder mehr Teilnehmer/Innen als im Vorjahr, aber gemessen an der dramatischen Entwicklung wieder viel zu Wenige.
Das Positive: Die Friedensbewegung ist zusammengerückt. Nicht Meinungsverschiedenheiten standen im Mittelpunkt, sondern der Wille, die sich dramatisch zuspitzende Gefahr eines drohenden Weltkrieges zu bannen. Nicht Russophobie dominierte, sondern die Sorge vor der Ausweitung des Ukraine-Krieges, der längst auch zu einem Nato-Stellvertreterkrieg geworden ist. Solidarität mit der Politik der israelischen Regierung zur Staatsräson zu erklären und Kritik an ihr als Antisemitismus zu verteufeln, wird immer mehr als Doppelmoral eingeschätzt. Die Stationierung von Erstschlags-Raketen in Deutschland (unter Ignorierung des Bundestages, lange vor dem Ukraine-Krieg, mit der US-Regierung bilateral vereinbart), wird nicht als Schutz, sondern als Bedrohung wahrgenommen. Und auf das Erstarken der AfD nur mit schüren ausländerfeindlicher Hysterie zu reagieren, wird von immer mehr Menschen als das erkannt was es ist, als Anlass die Reste des Asylrechts weiter auszuhebeln und als Ablenkung von den Folgen der kriegstreiberischen Politik der SPD/Grünen/FDP/CDU/CSU/AFD-Koalition. Der Ruf nach mehr Geld für Bildung, Gesundheit, Soziales – statt ruinösem Wettrüsten, wird immer lauter.
Nicht kriegstüchtig müssen wir werden, sondern friedenstüchtig.
Farina Semmler, die stellvertretende Vorsitzende der GEW Baden-Württemberg prangerte in ihrer Rede das „Bundeswehrförderungsgesetz“ an, das der bayrische Landtag im Juli beschlossen hat und das Schulen, Hochschulen, Unis und Forschungseinrichtungen zur „Kooperation mit der Bundeswehr“ verpflichtet. Sie forderte stattdessen mehr Geld für die Daseinsvorsorge und die Bildung.
Unsere Kameradin Gudrun Greth erinnerte an den (auch von den Gewerkschaften getragenen) Kampf gegen die Remilitarisierung nach 1945. An den Kampf der nicht zuletzt dadurch unterlaufen wurde, dass Adenauer den Gewerkschaftsführer Theodor Blank zum ersten Verteidigungsminister ernannte. Und sie zeichnete den Weg nach, der von der Wiederbewaffnung nach 1945, über die Wiedereinführung der Wehrpflicht, den Nato-Beitritt zielstrebig zum kriegstüchtig-Macher Pistorius führte.
Wiltrud Rösch Metzler von Pax-Christi kritisierte die geplante Stationierung neuer Mittelstreckenraketen, Marschflugkörper Tomahawk und Hyperschallwaffen und fragte, was die Beschwichtigungen aus dem SPD-Präsidium wohl wert sind. Sie forderte vehement Diplomatie und Verhandlungen statt Kriegsertüchtigung.
Dass wir (mal wieder) viel zu Wenige waren, lag wohl nicht an der am gleichen Tag stattfindenden Palästina-Demonstration. Im Gegenteil – die Freundinnen und Freunde des Palästinakomitee Stuttgart entschieden sich dazu, die Demonstration unter dem Motto „gegen den völkermörderischen Krieg in Gaza“ zeitlich so zu legen, dass sie als Auftaktdemonstration zur traditionellen Antikriegstagsveranstaltung fungierte und riefen explizit dazu auf, unsere Kundgebung zu besuchen. Damit leisteten sie einen wertvollen inhaltlichen Beitrag und trugen mit dazu bei, dass der diesjährige 1. September größer wurde.
Was fehlte, war eine wirkliche Mobilisierung in den Betrieben, vor allem den Industriebetrieben. Wäre nicht die relativ starke Präsenz von ver.di und GEW gewesen (sowie das Bühnentransparent und die Unterschrift auf dem Aufruf), wäre der DGB wohl kaum als Mit-Veranstalter aufgefallen.
Statt (wie es Teile des IGM-Vorstandes gemacht haben) einen Aufrüstungspakt mit dem Bundesverband der Rüstungsindustrie (BDSV) und dem SPD-Wirtschaftsforum zu proklamieren, wäre es angebracht, wirkliche Ursachen von De-Industrialisierung, Betriebsschließungen und Massenentlassungen zu benennen und die Kolleg/Innen zum Widerstand aufzurütteln. Die Entwicklung einer zukunftsweisenden industriellen Struktur wird ebenso dem Rüstungswahn geopfert, wie die gesamte öffentliche Daseinsvorsorge. Das zu verschweigen, oder gar bewusst davon abzulenken, wird der traditionell positiven Rolle nicht gerecht, die Gewerkschaften in der (und für die) Friedensbewegung gespielt haben. Und es wird den berechtigten Zukunftsängsten und Sorgen der Beschäftigten nicht gerecht, die am 1. September wieder zuhause geblieben sind, weil sie vermeintlich „andere Sorgen“ haben.
Auf der Antikriegstags-Kundgebung in Stuttgart fand unser Info-Stand reges Interesse; Unterschriften für den Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ wurden gesammelt; Für die Friedensdemonstrationen am 03.10. in Berlin und am 12.10. in München wurde geworben – die ver.di stellt Busse für die Fahrt dahin zur Verfügung; Im ver.di Bezirk Stuttgart wurde ein Arbeitskreis-Frieden gebildet. Das sind die Ansätze, an denen es anzuknüpfen gilt.